Dies ist der zweite Teil der kleinen Contextlink-Serie zu den "gescheiterten Verhandlungen zur iranischen Atompolitik". Siehe Teil 1: "Iran/Nahost: Die Atomfrage ist bloss ein Nebenkriegsschauplatz." und Teil 3: "Wikileaks: das andere Bild der Atomverhandlungen gegen den Iran."
Einmal mehr hat Israel im Vorfeld vom Verhandlungen der Westmächte mit dem Iran über dessen Nuklerprogramm seine Rolle als Bad-Guy gespielt und mit einem Bombardement der iranischen Nuklearanlagen durch seine Luftwaffe gedroht.
Es ist das x-te Mal, dass Israel die Kriegstrommel gegen den Iran rührt. Wirklich glaubwürdig ist die Drohung aber auch diesmal nicht.
Seit 1992 wird Israel nicht müde zu warnen, Iran werde schon bald über die Atombombe verfügen. Damals glaubte der heutige Präsident Israels, Benjamin Netanyahu in der Knesset, wenn nicht jemand (die USA) interveniere, werde es "bis in 3 bis 5 Jahren" soweit sein. Im Juli 2009 sprach Verteidigunsgminister Ehud Barak von einem übrigbleibenden Zeitfenster von "6 bis 18 Monaten", um militärisch zuzuschlagen, um die Iraner vom definitiven Bau der Bombe abzuhalten. Letzte Woche hat Israel jetzt erneut die Kriegstrommel gerührt und einmal mehr damit gedroht, selbst zu intervenieren, respektive mittels Luftschlägen die iranischen Nuklearanlagen zu zerstören. Die israelische Luftwaffe hat dieses Szenario in den letzten Jahren immer wieder medien-öffentlich trainiert.
Aber die meisten Militärexperten gehen davon aus, Israel werde seine Drohung auch diesmal nicht wahrmachen - zumindest nicht ohne die aktive Unterstützung der US-Streitkräfte.
Dass Israel militär-technisch fähig ist, diesen Luftschlag zu führen, ist unbestritten. Das Land verfüge aber nicht über die Mittel, die unausweichlichen Gegenmassnahmen der Iraner zu entschärfen, schreibt George Friedman, Gründer des renommierten und dem US-Geheimdienst nahestehenden Thinktanks "Stratfor". Die USA, ist Friedmann wie die meisten andern Sicherheitsexerten überzeugt, werden dazu nicht Hand bieten.
Die amerikanischen Geheimdienstler und Militärs fürchten insbesondere, die Iraner würden als Reaktion auf einen israelischen Luftangriff auf ihre Nuklearanlagen die Strasse von Hormus im persischen Golf sperren. Damit wären 40% des Weltölbedarf blockiert, der durch die Meerenge zwischen Iran und der arabischen Halbinsel verschifft wird. Eine gigantische Weltwirtschaftskrise wäre die Folge.
Nicht nur die Amerikaner wollen dieses Risiko nicht eingehen. Auch Israel weiss, dass es sich mit einer Aktion, die es vielleicht aus kurzfristigen innenpolitischen Gewinnen in Erwägung ziehen mag, international zum Paria machen würde, der jede Unterstützung verliert.
Ein isolierter Luftschlag, mit dem die Israeli immer wieder drohen, gilt als militärisch wertlos. Sarkastisch formuliert Friedman: "Iran würde eine Zerstörung der Waffen, die es gar nicht hat, problemlos überstehen." Wenn es überhaupt gelänge, alle Nuklearanlagen zu zerstören, bliebe die iranische Armee voll einsatzfähig und könnte - eben u.a. - Hormus blockieren. Um die iranische Armee auszuschalten, wäre parallel zu den Luftschlägen eine massive Militäraktion am Boden zwingend (siehe u.a. die Rogers-Studie 2006; auch auf deutsch). Sicherheitsexperten schätzen, dazu wäre rund 1 Million Soldaten nötig. Die USA sind aber weder willens noch fähig, diese Soldaten in Marsch zu setzen und die Aussicht auf eine breite Unterstützung von Verbündeten ist unrealistisch. Ein Krieg der USA gegen den Iran steht zur Zeit völlig quer in der Politlandschaft. Die USA suchen schon fast verzweifelt einen Weg, wie sie ihre Truppen aus dem Nahen (Irak) und Mittleren Osten (Afghanistan) rausbringen können.
Natürlich ist es der Job der amerikanischen Militärs, auch Szenarien für einen theoretischen Krieg gegen Iran zu entwickeln. Im Rahmen der psychologischen Kriegsführung rund um die Verhandlungen um die iranischen Nuklearanlagen, wird schon mal mit dem Säbel gerasselt. Dann reden auch US Generäle öffentlich darüber. Doch es deutet Vieles darauf hin, dass es gerade die US-Militärs sind, die auf ein Einvernehmen, wenn nicht gar auf einen Deal mit den Iranern drängen.
Das Drohszenario der Israeli ist also nicht nur aufgrund seiner Wiederholungen unglaubwürdig, sondern militärisch schlicht unrealistisch. Kein Wunder, sind die Iraner auch diesmal wenig beeindruckt und verlangen stattdessen, dass endlich nicht nur einseitig über die iranische Nuklearpläne, sondern auch über die (vermuteten) israelischen Atomwaffen gesprochen wird. Die Iraner verhandeln zur Zeit aus einer Position der Stärke. Die Amerikaner BRAUCHEN die Iraner, wenn sie wirklich noch dieses Jahr definitiv raus wollen aus dem Irak.
PS:
Doch Vorsicht: Obwohl er die Option eines israelischen oder amerikanischen Luftschlags gegen die iranischen Nuklearanlagen als nicht realistisch berurteilt, lässt George Friedman von Stratfor eine kleine Tür offen. Die schlimmste Sünde eines Geheimdienstes sei die Selbstgefälligkeit, schreibt Friedman. Der Glaube, nur weil etwas mehrmals nicht eingetroffen sei, werde es auch in Zukunft nicht stattfinden, sei fahrlässig. Es könne sogar bewusste Taktik sein, damit den Gegner in Sicherheit zu lullen, um so überraschender zuschlagen zu können.
Oder ist dieses Postscriptum des Geheimdienst-nahen Stratfor Gründers der Versuch, dem israelisch-amerikanischen Drohszenario nicht ganz den Boden zu entziehen?
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