Sonntag, 2. November 2008

Dank Finanzkrise kein Atom-Krieg mit Iran

Die Zeit nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten am 4. Januar und dem tatsächlichen Amtsantritt des neuen Präsidenten anfang Januar, erachten viele Beobachter und Experten in Nahost - aber nicht nur dort - für eine gefährliche Zeit.
Sie fürchten, dass die Bushadministration unter der Fuchtel von Vizepräsident Dick Cheney sich noch einen starken Abgang verschaffen will und im politischen Vakuum einen militärischen Schlag gegen den Iran führt oder führen lassen wird. Damit würde nicht nur ein schon lange vorbereiteter Plan umgestetzt, sondern gleichzeitig Verhältnisse geschaffen, die den künftigen Präsidenten zwingen würden, ihre aggressive, kriegerische Politik der Bushadministration im Nahen Osten weiter zu führen.

Al-Jazeera, der wichtigste Nachrichtensender, der aus dem Nahen Osten berichtet, gibt jetzt aber Entwarnung. Al-Jazeera titelt:

Die Finanzkrise verhindert einen Irankrieg.
(„Financial meltdown prevents Iran war“)

"Die Globale Finanzkrise hat dafür gesorgt, dass es heute höchst unwahrscheinlich ist, dass die USA oder Israel militärische Aktionen gegen den Iran ergreifen, um dessen Nuklearprogramm zu stoppen, schreibt Al-Jazeera und zitiert den amerikanischen Militärexperten Sam Gardiner:
"Unter den amerikanischen Entscheidträgern besteht Einigkeit, dass eine Bombardierung des Irans zur Zeit kein einzuschlagender Pfad ist.“ - Zur Zeit.


Das (hoffentlich) obsolete Horrorszenario
Als wahrscheinlichstes Szenario galt seit längerem ein Schlag Israels mit Langstreckenraketen oder mit der Luftwaffe auf die Nuklear-Anlagen des Iran.
Israel hat mehrfach offen mit einer solchen Aggression gedroht. Und gemäss der britischen Zeitung "Guardian" war eine solche Aktion der Israelis im Mai einzig am Veto von US-Präsident Bush gescheitert. Im Juni dieses Jahres hat Israel bei seinen Luftwaffen-Mänovern über dem Mittelmeer südlich von Kreta offenbar genau dieses Kriegsszenario gegen den Iran erneut geübt.

Allen ist klar, dass diese punktuelle militärische Aktion das grosse Risiko eines verheerenden Krieges in Nahost barg, welches, wenn nicht die ganze Welt , so zumindest Europa stark miteinbezogen hätte. Dies ist der Hintergrund für die intensiven diplomatischen Bemühungen der EU, welche versuchte, die kriegstreibenden Polemiken der USA und Israels zu entschärfen.

Das US Center for Strategic and International Studies (CSIS) hat eine Studie über den Verlauf und die Auswirkungen eines solchen Atomkrieg-Alptraums im Nahen Osten verfasst. CSIS rechnet mit 14 bis 18 Millionen Toten im Iran und 200'000 bis 800'000 Opfern in Israel. Nicht berechnet wurden die mittel- und langfristigen Auswirkungen der nuklearen Katastrophe auf die ganze Region.

Israels Bedrohung der arabischen Staaten
Die Karte der CSIS über die Reichweite der israelischen Langstreckenraketen zeigt nicht nur, dass Israel praktsich alle wichtigen Städte und Nuklaranlagen des Irans bombardieren kann, es zeigt auch, warum sich alle arabischen Staaten von Israel bedroht fühlen: Israel kann jederzeit überall im arabischen Raum zuschlagen. Alle weltweit wichtigen Oelfördergebiete und - Anlagen in Nahost können von Israel angegriffen werden.

(Karte CSIS)

Iranische Gegen-Propaganda:
Natürlich bleibt der Iran den USA und seinem langen militärischen Arm Israels nichts schuldig und attackiert zuerst einmal mit Gegen-Propaganda:
Der oberste Militär des Iran, Generalmajor Ataolla Salehi, nennt einen Angriff Israels auf den Iran einen "unumkehrbaren Irrtum". In einem Artikel in der offiziellen iranischen Militärzeitung, welches Al-Jazeera zitiert, sagt General Salehi, Iran werde den Angriff beantworten ("respond") bis zu dessen Zusammenbruch.

Oekonomie dominiert Militärstrategie (hoffentlich)
Dies scheint jetzt alles - inch'allah - nur Säbelgerassel. Ausschlaggebend für die Verhinderung des Krieges ist aber ganz offenscihtlich weder die Angst vor den unvorstellbaren Folgen einer solchen Katastrophe, sondern nüchterne ökonmische Argumente.

Mark Stoker, ein Militär-Oekonome vom Institute of Strategic Studies in London sagte gegenüber Al-Jazeera: "Eine Offensive gegen den Iran wäre sehr teuer" und die US-Armee sei schon zu sehr belastet (Irak, Afganistan, Pakistan). Vorallem warnen Diplomaten und Analysten, ein Angriff auf den Iran könnte eine grössere Krise in der ganze Region auslösen, womit die für Amerika lebenswichtigen Oelexporte aus dem Nahen Osten akut gefährdet wären.

Militärfokus USA zur Zeit auf Russland (Georgien)
Aehnliche Kommentare sind in den letzten Tagen auch in amerikanischen Medien erschienen (u.a. die Washington Post). Die "Post" nennt als Gründe für die neue Zurückhaltung der Militärs gegenüber dem Iran "die finanzielle Krise und die Verschlechterung der Situation in Afghanistan und Pakistan. Tatsächlich ist das nur ein Teil der Wahrheit. Liest man die aktuellen Analysen von Stratfor, der mit Abstand wichtigsten Plattform für US-Militärinfos, dann ist leicht zu erkennen, dass sich der Fokus der amerikansichen Militärs vom Nahe Osten zurück nach Osteuropa, nach Russland (Georgien) verschoben hat.

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