Sonntag, 2. November 2008

Der Tanz mit der Toleranz

Das Bild stammt von Spiegel-Online. Es zeigt das rituelle Schächten, welches in vielen Kulturen, z.B. auch in der jüdischen und muslimischen praktiziert wird.

Spiegel-Online provoziert, auch mich. Zum Nachdenken.

Vieles, was Henryk M. Broder, polnisch-jüdisch-stämmiger deutsch-israelischer Autor, in seinem Spiegel-Artikel "Gefährlicher Tanz mit der Toleranz" schreibt, bereitet mir Unbehagen, gar Abwehr. Ich merke aber gleichzeitig: In Vielem pflichte ich ihm bei.

Broders Thesen führen eigentlich direkt zurück auf die Diskussion "Was ist Integration" oder wieviel Anpassung wollen/müssen wir verlangen", die Deutschland mit der grossen Islamkonferenz seit 2006 zu führen versucht hat.
Von dort stammt auch das Zitat der deutsch-türkischen Soziologin Necla Kelek, das Broder zu Beginn seiner Kolumne verwendet: "Eure Toleranz bringt uns in Gefahr!" Die für mich besonders nachvollziehbaren Argumente Necla Kleks habe ich schon in einem früheren Post auf Contextlink dargestellt.

Schlüsselsätze aus Broders Spiegel.online-Artikel:

"Was darf eine liberale, tolerante Demokratie zulassen und was muss sie verbieten? In .... Gesellschaften, in denen die Begriffe "gut" und "schlecht", "richtig" und "falsch" zugunsten von "anders", "multikulturell" und "relativ" abgeschafft wurden, kommt diese harmlos klingende Frage der Quadratur des Kreises gleich."

Broder spricht von "Egalisierung der Kulturen auf Kosten der Zivilisation".

"Kultur ist, wenn Sie Ihrem Nachbarn den Kopf abschlagen und daraus eine Blumenvase machen. Zivilisation ist, wenn Sie dafür ins Gefängnis müssen und nie wieder rauskommen."

"Egal, ob Sie ein anatolischer Bauer oder ein rheinischer Philosoph sind, Sie bekommen keinen Bonus und keinen Malus, wenn Sie sich an Ihrer Tochter vergreifen. Deswegen kann es den Begriff "multizivilisatorisch" nicht geben. Es gibt nur "multikulturell"."

"Mit der Toleranz gegenüber dem vermeintlichen Underdog geht oft auch eine Bewunderung für das Finale und das Totalitäre einher."

Broder verhöhnt die obertoleranten Westler und ihre Idealisierung der "Anderen", selbst der Fudamentalisten: "Mit der Toleranz gegenüber dem vermeintlichen Underdog geht oft auch eine Bewunderung für das Finale und das Totalitäre einher." Und: "Diese Fundamentalisten, die haben noch Ideale, die schrecken vor nichts zurück, während unsereiner sich schon in die Hosen macht, wenn er bei Gelb geblitzt wird. Nur so lässt sich Fluch der reinen Toleranz erklären."
"Kritik der reinen Toleranz" heisst übrigens das neuste Buch von Henryk Broder, erschienen im Spiegelverlag. Der Spiegel-online-Artikel disqualifiziert sich damit auch etwas als Verkaufsförderung).

Broder äzt auch gegen die "toleranten Briten": "Wenn ( in England) "Mohammed" inzwischen "Jack" als beliebtesten Vornamen für Neugeborene abgelöst hat, dann ist es nur vernünftig, sich auf eine Zukunft im Zeichen der Mondsichel einzustellen und die Einführung der Scharia als optionale Alternative zu britischem Recht zu fordern, wie es das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, der Bischof von Canterbury, Rowan Williams, Anfang 2008 vorgeschlagen hat, um "soziale Spannungen zu vermeiden"."
Auch Bischof Rowans Haltung war schon Thema in Contextlink.

"Wir erleben, wie eine liberale Gesellschaft mit ihren eigenen Waffen geschlagen wird, an ihrer eigenen Toleranz zugrunde geht. Aber warum ist es so? Was treibt die Briten - und in einem etwas geringeren Maße auch die Deutschen, die Franzosen, die Holländer - dazu, die Bude abzubrennen, in der sie es sich so gemütlich eingerichtet haben?"

"Toleranz ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft, ein Angebot an den Sieger von morgen: Ich verschone dich heute, bitte merke es dir gut und verschone mich, sobald du an der Macht bist."

"Toleranz widerspricht der menschlichen Natur so, wie es ihr widerspricht, die Beute zu teilen. Man macht es nur, wenn man sich davon einen Vorteil verspricht."

Und zum Schluss zitiert Broder auch noch Papst Benedikt XVI., als er noch Joseph Kardinal Ratzinger hieß:
"Es scheint hier ein merkwürdiger Selbsthass des Westens auf, der fast nur als etwas Pathologisches begriffen werden kann. Der Westen versucht sich in lobenswerter Weise ganz und gar dem Verständnis fremder Werte zu öffnen, aber er liebt sich selbst nicht mehr."

Es ist Zeit, dass wir auch in der Schweiz eine Debatte über die Integration führen.


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