Natürlich wird dieser Prozess vorallem auch im Nahen Osten selbst und in der ganzen muslimischen Welt sehr genau verfolgt. Al-Jazeera hat jetzt eine Analyse unter dem Titel "Der Aufstieg des türkischen Halbmonds" veröffentlicht.
Vorsichtige Akzeptanz der türkischen Führungsrolle
Noch ist Al-Jazeera vorsichtig in seiner Formulierung: "Beobachter glauben, dass die neue Haltung der Türkei gegenüber Israel (Kritik am Gaza-Krieg und Ausschluss von den geplanten gemeinsamen Militärmanövern) Teil ihres Plans zur Wiederbelebung Rolle ist, welche die Türkei glaubt, spielen zu müssen: Führer und Beschützer ("guardian") der muslimischen Welt." Das englische Wort "guardian" bedeutet auch übrigens auch "Vormund" und wurde von Al-Jazeera-Autor Ahmed Janabi kaum zufällig gewählt.
Skepsis ...
In der arabischen Welt wird der "Wiederaufstieg des türkischen Halbmonds" teils wohlwollend, teils aber auch kritisch beurteilt.
Die Rede ist vom türkischen Neo-Imperialismus und Neo-Osmanismus. Bei vielen Arabern ist die Zeit der der (türkisch-) osmanischen Herrschaft über den Nahen Osten immer noch in schlechter Erinnerung.
... und Bewunderung
Doch für viele Menschen in der arabischen Welt ist die Türkei ein leuchtendes Vorbild: muslimisch, aber säkulär, vorallem ökonomisch erfolgreich, vom Westen mehr als respektiert und militärisch stark. Vielen sehen die Türkei als "Modell" der Zukunft für andere Staaten der arabisch-muslimische Welt. Und: Türkische TV-Soaps, die den relativ liberalen türkischen Umgang mit dem Islam demonstrieren, sind im gesamten arabische Raum Strassenfeger.
"Hirn" Ahmet Davitoglu
Das Hirn und der starke Mann der neuen, offensiven türkischen Aussenpolitik, ist Aussenminister Ahmet Davutoglu, der "türkische Kissinger". Er ist im arabischen Raum populär. Er spricht offen von der historischen Pflicht der Türkei im Nahen Osten und bezeichnet die Türkei als "Motor der Entwicklung" der muslimischen Welt. Seine Politik der "strategischen Tiefe" wird inzwischen allgemein als die "osmanische Doktrin" bezeichnet.
Türkei als Friedesnstifter in Nahost und Statthalter der USA
Schon länger gilt die Türkei als Mittler zwischen dem Westen und der muslimischen Welt. "Die Türkei ist für die Rolle bestens geeignet," schreibt Al-Jazeera, "weil sie ein muslimischer Staat ist, die Beziehen sowohl zu den Israelis wie den Arabern unterhält. Aktuelle sind die Beziehungen zu Israel zwar getrübt, aber Israel braucht die Türkei wohl weiterhin, wenn es tatsächlich mit seinen Nachbarn verhandeln will. Syrien hat eben darauf gepocht, dass die Türkei als Vermittler in den möglichen Friedensgesprächen mit Israel fungiert.
Es gibt sogar Experten, die davon ausgehen, dass Ankara bald nicht nur Friedensstifter, sondern auch Ordnungsmacht im Nahe Osten sein wird. Al-Jazeera zitiert einen Experten, der davon ausgeht, dass die Türken mit dem Rückzug der USA aus m Irak auch eine Rolle als Statthalter der Amerikaner übernehmen werden: "Die USA wird die Türkei brauchen als Gegengewicht zum Iran im Irak und im Nahen Osten generell."
Keine Abwendung von Europa
Die vermehrte Zuwendung zum Osten bedeutet auch aus Sicht der arabischen keine Abkehr der Türkei von Europa. Der palästinensische Historiker und Türkei-Spezialist Bashir Nafie stellt bei Al-Jazeera aber fest: "Die Türkei hat realisiert, dass seine Zukunft nicht nur in der EU liegt, sondern noch wichtiger bei seinen arabischen, muslimischen und kaukasischen Nachbarn."
Auch für Ahmet Davutoglu bedeutet die aktive Politik der Türkei im Osten, keine Abwendung vom Westen. Im Gegenteil: In Ankara gedenkt nicht nur die Rolle als Hub, speziell im Bereich Oel und Gas, zwischen Ost und West gewinnbringend zu nutzen, sondern die zweitstärkste Militärmacht in der NATO will auch eine aktive Rolle in Europa spielen. Schon heute gilt die Schwarzmeerküste inklusive Bulgarien als "Gross-Instanbul". In einem Interview mit der serbischen Tageszeitung Politika bezeichnet Aussenminister Davitoglu die Türkei - zusammen mit Serbien - als "Schlüsselmacht im Balkan. Der US-amerikanische German Marshall Fund Titelt: Turkey: Back to the Balkans?". Immerhin hat das osmanische Reich ja bis vor 100 Jahren wären rund 5 Jahrhunderten grosse Teile des Balkans beherrscht.
Und: Grade eben (25.10) reist der türkische Präsident Adullah Gul nach Serbien, wo er in den nächsten 2 Tagen in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic ein bilaterales Abkommen aushandeln wird.
Die EU darf auf jeden fall gewarnt sein: Die Türkei muss nicht auf Europa warten. Und immer mehr zeigt sich: Europa braucht die Türkei bald mehr, als umgekehrt.
1 Kommentar:
orcool74 sagt:
ich als türke sehe das nüchtern genau so. nicht weil es meine türkischen seele schmeichelt, sondern aus klar auf der hand liegenden tatsachen.
die ambitionen der usa in der tr europa frage sehe ich ebenfalss anders als die meisten europäer. viele behaupten die usa wünscht eine schwache eu mit dem tr beitritt. ich dagegen erkenne das die usa die tr innerhalb der eu geschwächt sehen möchten.
liebr eine kontrollierbare mittelmäßige tr innerhalb der eu,als eine starke unabhängige macht alleine.bzw als führer in einem neuen ostasiatischen block.
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