Sonntag, 25. Oktober 2009

Wir Menschen: Von Natur aus Böse

Das sensationelle Bild ist eine Illustration des Schweizer Designers Markus Roost für die aktuelle Printausgabe der "Zeit" . Abgeknipst von mir, deshalb auch in schlechter Qualität, die ich aber in Kauf nehme, weil das Bild einfach stark ist.

Das Böse hat mich in Contextlink schon mehr beschäftigt ("Radovan Karadzic: AUCH ein guter Mensch?" und "Wir sind alle verführbar")
Jetzt bewegt mich ein Artikel in der neusten "Zeit" (44/2009 S. 37ff.) "Die Wurzel des Bösen". Es ist auch ein Bericht von der Jahreskonferenz der Academia Engelberg vom 14. bis 16. Oktober "Gewalt in der menschlichen Gesellschaft". "Zeit"-Autor Stefan Schmitt destilliert aus den Inhalten der Versammlung (und wohl aus vielen eigenen Recherchen) eine Art "Nacherzählung der Aggressionsgeschichte unserer Art" heraus:

Schon die letzten gemeinsamen Vorfahren von Schimpanse und Mensch vor rund sechs Millionen Jahren seien "Wesen mit einem aussergewöhnlichen Aggressionspotential" gewesen. Das Böse, die Gewalt, die Aggression gehört damit zum biologische Erbgut von uns Menschen.
Spätestens mit der Entwicklung der Fähigkeit des Menschen zur jagen, "genossen aggressive Individuen einen entscheidenden Überlebensvorteil."
Dass auch die Nächstenliebe evolutionsgeschichtlich aus der Boshaftigkeit entstanden ist, gilt als wissenschaftlich gesichert.

Gewalt als Kulturgut der Menschen
"Gegen andere gerichtete bösartige Handlungen wurden zum Bestandteil vieler Kulturen", schreibt Schmitt. " Davon zeugen noch Berichte aus moderner Zeit, in denen von Kannibalismus, Kopfjagd, Folter, systematischer Verstümmelung und Vergewaltigung unter Urvölkerung die Rede ist." Die Grausamkeit war ein strategisches Mittel unser Urahnen zur "Abschreckung von Feinden, Stärkung eigener spiritueller Kräfte, Zugriff auf Ressourcen".

Aktuelle Realität im Kongo
Mich frappiert die unmittelbare Parallelität dieser wissenschaftlichen Analyse archaischer Gesellschaften mit der alltäglichen Realität im heutigen Kongo. In einem Video des Youtube-Channels nnger4life, schildern junge Milizionäre, warum sie regelmässig und systematisch Frauen vergewaltigen:

Bevor jetzt bei den LeserInnen auf Grund der schlimmen Momentaufnahme aus dem Kongo rassistoide Reflexe aufkommen wie "besonders primitive Menschen" oder ähnliches, bitte ich dies zu Bedenken:
Die Gewalt als "Normalität" des Kriegs
Vergewaltigung - wenn vielleicht auch nicht so häufig und systematisch wie im Kongo - gibt es seit Menschengedenken in allen Kriegen: Auch die Alten Eidgenossen waren schlimme Vergewaltiger, die Deutschen haben es im 2. Weltkrieg getan, die Amerikaner in Vietnam, die Serben, Kroaten und Bosniaken ..... Die Vergewaltigung ist nicht die Ausnahme im Krieg, sondern eher die Regel. Aber sie ist nicht nur einfach "Normalität" - ich tue mich schwer, den Begriff zu schreiben, wenn ich allein an die 5400 Frauen im Kongo denke, die allein in diesem Jahr bisher vergewaltigt worden sind -, sondern eben auch ein "strategisches Mittel" zur Verbreitung von Terror, ein Mittel zur ethnischen Säuberung und nicht zuletzt ein Mittel zur Demütigung des Feindes, der Demonstration der absoluten Macht, dem "Recht" die eigenen Gene weiterzugeben.

Das Böse ist, wie wir alle wissen, auch in den modernen Gesellschaften nicht auf den Krieg beschränkt. Der Krieg bringt diese Eigenschaft des Menschen nur besonders nackt zu Ausdruck und schafft ein Umfeld, in dem Menschen ihr böses Naturell ausleben bei reduziertem Risiko, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

"Das Böse ist des Menschen beste Kraft"
Zynisch hat schon Friedrich Nietzsche im Zarathustra festgestellt: "Das Böse ist des Menschen beste Kraft". Der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Charité, Hans-Ludwig Kröber, kommt mit Blick auf seine 25-jährige Erfahrung mit Straftätern im Interview mit der "Zeit" (Printausgabe 44/2009 S. 39) zum Schluss: "Man muss kein Böser Mensch sein, um böse Taten zu begehen". Wie schnell "gute" Menschen zu bösen Tätern werden können, hat Philip G. Zimbardo in seinem berühmte Experiment im Gefängnis von Stanford in aller Deutlichkeit gezeigt.

PS:
Zimbardo bietet übrigens eine neue Definition des Bösen an: "Evil is knowing better, but doing worse". Böse ist, wer wider besseres Wissen schlecht handelt. Damit kommt eine ganz neue Dimension des Böse-Seins, der Ausübung von Gewalt in Sicht, die in der modernen, globalisierten Zivilgesellschaft sehr aktuell ist, aber von uns Menschen noch gar nicht richtig als Böse wahrgenommen wird und die herkömmlichen Grenzen unserer Moral sprengt: Z.B. die Umweltzerstörung.
Gemäss der Definition von Zimbardo, bin ich also Böse, wenn ich weiter mit meinem SUV durch die Gegend fahre.

Zu Schluss füge ich noch M.C. Eschers berühmtes Bild "Der Zauberspiegel" des holländischen Künstlers M.C. Escher an. Wer sieht die Engel? Wer die Teufel? Gut oder böse?

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