Montag, 27. April 2009

Mein deutscher Philosoph

Foto: AP
Keine Frage, mein deutscher Lieblingsphilosoph ist Peter Sloterdijk. Ich weiss, dass ich damit nicht sehr exklusiv bin. Sloterdijk ist für viele deutsche (oder deutschsprachige) Intellektuelle eine Art Guru. (Sloterdijks eigene Homepage ist hier zu finden.)

Auch Sloterdijks neustes Werk, "Du musst dein Leben ändern", beschäftigt nicht nur mich. Dazu hier ein Beitrag, inkl. Interview, mit Peter Sloterdijk von 3Sat:



Peter Sloterdijk ist immer originell und sehr aktuell. Ich habe hier in Contextlink auch schon mehr über ihn geschrieben. Sloterdijk schreibt und sagt manchmal Sätze, die ich als Motto meines Blogs verwenden oder ausgedruckt als eine Art Glaubensbekenntnis über mein Pult hängen könnte – als eine Art Botschaft an mein Umfeld: Seht her, so denke ich, das meine ich!
 
Z.B. „Die Menschheit wird sich teilen und teilt sich bereits vor unseren Augen: In die, die weitermachen wie bisher, und jene, die bereit sind, eine Wende zu vollziehen.“ (FAZ-Online hier).

Oder: „Der Begriff „Gott“ war eines der stärksten Schutzschilde, hinter die man sich ein Weltalter lang zurückzog, um dem Ungeheuren standzuhalten.“

Sloterdijk denkt sich tief in aktuelle Themen, die mich beschäftigen. Wie der von ihm verehrte und oft zitierte Friedrich Nietzsche betreibt Sloterdijk „Kultur-Planetenkunde“. Die „Methode besteht in Beobachtungen unseres Himmelskörpers mit Hilfe von Aufnahmen kultureller Formationen aus grosser Höhe“ ("Du musst dein Leben ändern" S. 61).

Tatsächlich ist Sloterdijk manchmal etwas zu „hoch“ für mich, um nicht zu sagen abgehoben. Er ist immer auch eine – wohltuende – intellektuelle Herausforderung und „Übung“, um einen der Schlüsselbegriffe seines neusten Buchs "Du muss dein Leben ändern" zu verwenden. Es fällt mir häufig schwer, Sloterdijk zu lesen, zu verstehen. Er ist sehr gescheit und sehr differenziert. Man muss sich schon Zeit nehmen, sich auf ihn und seine Sprache einzulassen. Das übliche, alltägliche Lesen, das wir uns beim Konsum der geschriebenen Medien angewöhnt haben, ist ja mehr ein Ueberfliegen-Querlesen. Wir scannen die Texte auf Schlüsselbegriffe, fast wie die Suchmaschine von Google. Bei Sloterdijk liegt die Essenz immer auch in der Nuance, im Detail, zum Beispiel häufig in Adjektiven, die es nur bei ihm zu lesen gibt. Damit entspricht er einer der vielen starken Aussagen in seinem neusten Buch, es sei die Hauptsache im Leben, die Nebensachen Ernst zu nehmen. „Wo Nebensachen erstarken, wird die Gefahr, die von der Hauptsache ausgeht, gezügelt. Im Nebensächlichen höher steigen heisst dann, in der Hauptsache vorankommen.“ (S. 68)
Textbeispiel: „Gerade für die jüngere Moderne war und blieb es typisch, eine Allianz zwischen Barbarei und Erfolg vor grossem Publikum zuzulassen, anfangs mehr unter der Form von trampelhaftem Imperialismus, heute in den Kostümen der invasiven Vulgarität, die durch die Vehikel der Popularkultur in praktisch alle Bereiche eindringt.“ (S. 27)


- Ein faszinierendes Detail als Bestätigung für das Anders-Schreiben Sloterdijks manifestiert sich übrigens, beim Abschreiben seiner Formulierungen im „Word“. Die automatische Rechtschreibehilfe unterstreicht immer wieder Wörter, die grammatikalisch richtig sind, das simple Computer-Rechtschreibeprogramm aber nicht kennt und deshalb als „falsch“ rot markiert. 

Sloterdijk kann aber – vor allem im Gespräch – auch sehr journalistisch-populär und trivial formulieren. Zum Beispiel im FAZ-Interview zu „Du musst Dein Leben ändern“:
  • Frage der Journalistin: Was müsste Peer Steinbrück ändern?
  • Antwort Sloterdijk: „Er müsste als Erstes verstehen, dass es nicht seine Aufgabe sein kann, Arbeitsplätze an Bord der „Titanic“ zu sichern.“
  • Frage der Journalistin: „Und was kann ich als Journalistin tun?“
  • Antwort Sloterdijk: „Sie könnten sich gegen den Zwang auflehnen, von Dingen zu reden, auf die es nicht ankommt.“
Ueberhaupt ist das Medien- und Journalistenbashing – neben dem Pfaffenbashing – eine von Sloterdijks Lieblingsspielwiesen. Und bei beidem spricht er mir, präziser als ich denken kann, aus dem Herzen: „Sprache, die von ‚Sein“ verlassen ist, gerät zum Geschwätz.“ Sloterdijk spricht von „anschwellender Beliebigkeit“ und einer „galloppierenden Inflation des Geschwätzes“ ... „Inmitten der allgegenwärtigen Geschäfte mit den prostituierten Zeichen...“. (S. 38)

Dabei ist Sloterdijk selbst Journalist und TV-Moderator. Seine ZDF-Sendung "Das Philosphische Quartett" ist Kult. Hier die Runde zur aktuellen Krise:


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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

So sehr ich P.Sloterdijk schätze (alles gelesen !), aber in diesem Quartett, war er naiv, inkompetent und unflexibel. Vom sowieso immer überflüssigem Safranski, mit seinen ewiggleichen Phrasen, will ich gar nicht reden.
Wie kann man bei einer derart komplexen Krisenlage sich auf die Suche nach einem Schuldigen versteifen ? Anstatt die Anwesenheit einer Spitzenwissenschaftlerin zu nützen, wurden man nicht einmal primitive Funktionsfragen gestellt. Vom größten aktuellen Interesse wären Fragen nach Lösungswegen und Entwicklungsalternativen der gegenwärtigen Krise, aber dazu erwiesen sich die Philosophen als pure, ahnungslose Laien. Abgesehen von der Bankenkrise stellt sich immer deutlicher die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von der Lage der Autoindustrie als Krisenfaktor allerersten Ranges heraus. Auch keine Frage zu dieser offensichtlichen Verquickung. Aber dazu müsste wenigstens ein kleiner Bezug zur Materie vorhanden sein.

Welchen Beitrag ein Romanautor bei einem derartigen Thema – außer dilettantische Meinungen zur Krise - leisten kann, war völlig unklar.

Es war schlichtweg ein niveauloses Quartett.