Dienstag, 28. April 2009

Mehrheit FÜR Folter


Es fällt mir sehr schwer, über die Folterthematik zu schreiben - grad weil sie mich seit Jahren so sehr beschäftigt. Wie häufig, muss ich nach verschiedenen gescheiterten Versuchen einsehen, dass Andere das besser können:

Heinrich Wefing hat jetzt in der "Zeit" einen Artikel "Soll man die Folterer laufen lassen?" geschrieben, der in Vielem dem entspricht, was ich in meinem Kopf nicht richtig habe ordnen können:
Das Folter-Memorandum des US-Justizministeriums empfindet Wefing auch als "eine Welt bürokratischer Perversion", in welchem peinlich genau definiert wird, wann die menschenverachtende Quälerei als "legal" zu rechtfertigen sei, " inklusive praktischer Hinweise: Welche Temperatur darf das eisige Wasser nicht unterschreiten, mit dem die Gefangenen abgespritzt werden? Fünf Grad.", und so weiter und sofort. "Es ist eine albtraumhafte Verzerrung dessen, was Juristen (und Mediziner) in einem Rechtsstaat tun dürfen."

Die Diskussion, die in den USA zur Zeit geführt wird, ob sich Folter im Sinne der übergeordneten "nationalen Sicherheit" im Notfall nicht doch rechtfertige und dass die praktischen Vollstrecker der Quälereien als simple Nicht-Befehlsverweigerer straffrei bleiben sollen, ist "die klassische Rechtfertigung aller Folterer dieser Welt". Und dass der Sonderbeauftragte für Folter, der österreicher Manfred Nowak da anderer Meinung ist und dies als "Verstoss gegen das Völkerrecht" qualifiziert, ist selbstverständlich.
In weniger medial aufgeheizter Situation wurde die Thematik auch schon von politisch weniger in die Enge Getriebenen diskutiert (u.a. hier: "Das Folter Dilemma"). Das Gescheiteste dazu hat für mich - einmal mehr - Jan Philipp Reemtsma geschrieben und gesagt, kurz zusammengefasst in diesem TAZ-Interview 2005.
Ganz am Ende seines wichtigen Buchs "Folter im Rechtsstaat" zieht Reemtsma ein schlichtes Fazit zur Problematik: "Wir sind, was wir tun."

Und dass die Täter, die staatlich legitimierten Folterer, gar nichts Spezielles sind, schon gar nicht einfach nur besonders verwerfliche Unmenschen, sondern sich bei ihrem Tun sogar vom "Volk" getragen fühlen können, zeigen die neusten Umfragen des Instituts Gallup in den USA: Mehr als die Hälfte der Amerikaner finden die Anwendung der Folter ("harsh interrogation techniques") gegenüber Terroristen richtig. Sogar über 60 Prozent von denen, die sich "intensiv mit der Frage auseinandergesetzt" haben, halten die Folter für angebracht. (Eine Zusammenfassung und Einordnung der Umfrage liefert der ISN-Artikel "Costs of War" von Shaun Waterman).

Ich halte die Amerikaner in diesem Falle für überhaupt nicht speziell, sondern bin überzeugt, ähnliche Umfragen in ähnlichem Kontext würden ähnliche Resultate zum Beispiel auch in der Schweiz ergeben.

Mark Danner, Professor an University of California, der mit der Indiskretion der Veröffentlichung des Reports des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) "ICRC Report on the Treatment of Fourteen 'High Value Detainees' in CIA Custody" (die wichtigsten Auszüge hier) den Folter-Ball in den USA richtig ins Rollen gebracht hat, entlarvt in einem neuen Artikel "If everyone knew, wo's to blame?" in der Washington Post die ganze politische Aufregung und die dazu inszenierte Medien-Empörung als pure Heuchelei, indem er aufzeigt, dass das Wissen über die von höchster Stelle abgesegneten Folterverbrechen nicht erst seit dem IKRK-Bericht und der Veröffentlichung des offiziellen Folter-Memorandums des US-Justizministeriums diesen April vorhanden und öffentlich ist, sondern bereits seit 2004. Unter anderem hatte damals die New York Times darüber berichtet, auch über das "Waterboarding". Danner zeigt, dass diese "dirty little secrets" nicht nur schon seit längerem dem Bush-Lager bekannt waren, sondern auch den Demokraten im Kongress. Danner stellt nüchtern fest, dass das Argument von Bush-Vize Dick Cheney, diese "erweiterten Befragungstechniken" seien entscheidend gewesen, um "einen weiteren Grossangriff" auf Amerika (ähnlich 9/11) zu verhindern, im Prinzip von allen geteilt wurde.
Danner nennt diese offenbar allgemeine Haltung der US-Politiker "deeply pernicious", wirklich schlimm, "weil es bedeutet, dass es "unmöglich ist, das Land zu verteidigen, ohne das Gesetz zu brechen." "Damit", schreibt Danner, " werden unsere Ideale und Gesetze zu einer nationalen Dekoration reduziert, die man beim ersten Anzeichen von Gefahr zur Seite schiebt."

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