Mittwoch, 4. März 2009

USA: Noch mehr Kriege

„Noch mehr Kriege?“ soll Senator John Kerry, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats zum Schluss eines grossen Sicherheitshearings letzte Woche in Washington deprimiert gefragt haben. Die vom Ausschuss angehörten Experten hatten gemäss "Zeit" ein sehr düsteres Bild gemalt: „Bankrotte Länder, stürzende Regierungen, Arbeitslosenheere, Aufruhr, Handelskämpfe und Kriege“.

Tatsächlich sprechen amerikanische Strategie- und Sichergheitsexperten zur Zeit fast ständig vom Krieg. Allen voran ihr wohl bekanntester Exponent, Stratfor-Herausgeber George Friedman. Er schreibt in seinem neusten Buch "The next 100 years": "Das 21. Jahrhundert wird sogar noch mehr Kriege sehen als das 20." (Friedman S. 5).

Der „Krieg gegen den Terror“ und das Feindbild "Islam" haben ausgedient. Das neue Feindbild der USA ist noch unfassbarer. Es heisst: "Wirtschaftskrise". Auf die Frage der Mitglieder des Senatsausschusses, ob sie die Wirtschaftskrise tatsächlich für gefährlicher halten als der Terrorismus, haben - gemäss dem „Zeit“-Artikel "Al-Qaida ist nicht mehr Amerikas grösste Bedrohung" - alle befragten Experten mit „Ja“ geantwortet. Und der neue US-Geheimdienstchef Dennis Blair bestätigte die ausdrückliche Frage, ob die aktuelle Wirtschaftskrise den Weltfrieden gefährde, mit "Ja". Die düstersten Szenarien bedrohen die Welt:

Nicht einfach nur von „Handelskriegen“ oder "Finanziellen Symptomen eines Weltkriegs" ist die Rede. Davon spricht zum Beispiel auch der aktuelle Star unter den Experten, der britische Historiker Niall Ferguson. Natürlich spricht man auch in den USA vom Wirtschaftskrieg, vom Kampf um Einflusssphären, aber man geht viel weiter: „Extremismus, Hungeraufstände, Unterdrückung, alte und neue Kriege“.
Da scheint Finma-Chef Eugen Haltiners „Wirtschaftskrieg“ gegen die Schweiz schon fast harmlos. Der martialisch-populitische Gedanke passt aber sehr gut zum traditionellen-kriegerischen Denken der USA.

Die USA stehen immer im Krieg
In Amerika denken die politisch sehr einflussreichen Sicherheits- und Strategie-Experten immer auch in militärischen Szenarien. Tatsächlich war ja Amerika seit seiner Gründung ständig im Krieg, hat es seit dem 20. Jahrhundert aber verstanden, seine Kriege immer ausserhalb des eigenen Landes zu führen. Und dies soll nach Meinung der USA natürlich auch so bleiben.

Die USA sind nicht nur zur Zeit - und gemäss allen Experten auch noch für längere Zeit - die mit Abstand stärkste Militärmacht der Welt, Amerika hat in den letzten 100 Jahren auch bewiesen, dass es jederzeit bereit ist, diese Macht einzusetzen, auch gegen den Willen seiner engsten Verbündeten. Dabei muss Amerika gar nicht immer alle Krieg gewinnen (wie z.B. Vietnam oder den "Kampf gegen den Terror" oder vielleicht bald Afghanistan) oder es kann sich auch einmal irren (wie im Irak): „The United States don't need to win wars". (Friedman S. 5). Es genüge, die Kriege zu führen, "die Dinge" zu zerstören, damit "diese Dinge" nicht zu gross werden können, damit "die andere Seite nicht genügend Kraft aufbauen kann", um die USA wirklich herauszufordern. Es genügt, Konkurrenten um Einfluss und Macht zu zwingen, sich auf diese von den Amerikanern als nötig erachteten Konflikte zu konzentrieren und ihre Energien zu binden.

Entwicklung dank Krieg
Für Friedman steht ausser Frage, wer als Gesamtsieger aus all den vielen Konflikten und Kriegen des 21. Jahrhunderts hervorgehen wird: Die USA. Amerika werde noch stärker daraus hervorgehen. Die USA werden sich auch DANK dieser Kriege weiter entwicklen: "Kriege - wenn dabei das eigene Land nicht zerstört wird - kurbeln das Wirtschafts-Wachstum an." (Friedman S. 8).
Nicht nur wirtschaftlich wird die USA von den Kriegen profitieren: Kriege bringen immer auch technologischen Forschritt.

Während insbesondere asiatische Politologen ein baldiges Ende der amerikanischen Weltherrschaft prognostizieren, glaubt Friedman, dass eben erst das amerikanische Zeitalters anbreche.
Dies sieht übrigens der britische Historiker Niall Ferguson ganz ähnlich.

Die USA beherrschen die Weltmeere
Die grosse Stärke Amerikas liegt nach Ansicht der Experten nicht etwa nur in der wirtschaftlichen Stärke der USA, sondern in seinem Militärpotential. Nicht in irgendwelchen neuen Superwaffen, sondern in einem uralten, konventionellen Kriegs-Mittel, der Marine. Amerika beherrscht mit seiner Kriegsflotte die Weltmeere rund um den Globus. Vor allem hat Amerika einmalige, geographisch-strategische Vorteile in der globalen Welt: Als Insel inmitten der Ozeane beherrscht es von seinen Küsten aus sowohl das pazifische wie das atlantische „Becken“. Damit wird zuerst der Handel gesichert, aber auch die Konkurrenz kontrolliert. Als Konsequenz aus dieser Analyse lässt Friedman auf Stratfor monatlich einmal die aktuelle Position der amerikanischen Kriegsschiffe in den Weltmeeren auflisten. Das ist der Stand am 4. März 2009 (ein Klick vergrössert das Bild):


Für die USA ist ALLES sicherheitsrelevant
Amerika versteht sich als wichtigste Macht dieser globalisierten Welt. Es bezieht alle Entwicklungen und Ereignisse in dieser Welt auf sich selbst, respektive es studiert die Auswirkung jedes aktuellen Ereignisses und jeder wahrscheinlichen künftigen Entwicklung auf dieser Welt auf die USA.

Und Amerika versteht alle Probleme immer auch sicherheitspolitisch und damit kriegerisch-militärisch. Nicht nur die Wirtschaft oder die Rohstoffe, sondern auch Themen wie Gesundheit/Krankheit, Umwelt/Klima oder Unterentwicklung.

Z.B.: Bedrohung globale Gesundheit
So hat erst Ende 2008 der "National Intelligence Council" eine umfangreiche Studie “Strategic Implications of Global Health" herausgegeben. "Die strategischen Auswirkungen der Weltgesundheit" auf die Sicherheit der USA natürlich. (Eine Zusammenfassung des Berichts gibt es hier, inkl. den Link zum PDF der Gesamtstudie). Darin wird nicht nur gezeigt, wie Pandemien wie Sars, Vogelgrippe oder Aids ganz direkt sicherheitsrelevante Auswirkungen auf die USA haben. Es wird auch gezeigt, wie gesundheitliche Probleme in der 3. Welt zur Destabilisierung dieser Länder führen können, infolge schlechter wirtschaftlichen Entwicklung, ungleicher Verteilung von Reichtum, sozialer Unzufriedenheit, etc..

Russland wird schon aufgrund seiner Gesundheitssituation in der Studie eine schlechte Prognose gemacht und stellt auch nach Meinung von Friedman nach 2020 kein wichtiger Macht-Konkurrent der USA dar (Friedman S. 101 ff.):
Russland hat insgesamt die schlechtesten Gesundheitsindikatoren aller Industrieländer. Die schlechte Gesundheitssituation beschränkt die Bemühungen Russlands zur Diversifizierung der Wirtschaft weg vom Oel. Der insgesamte schlechte Gesundheitszustand der russischen Kinder, verbunden mit den weiter fallenden Geburtenraten bedroht auch Russlands militärische Bereitschaft."

Internationale Krisen-Prävention als militärische Aufgabe
Und weil alle diese Probleme als sicherheitsrelevant und damit ultimativ auch als Bedrohung für die eigene Sicherheit eingestuft werden, kümmert sich Amerika um sie. Bezeichnenderweise, setzt Amerika neuerdings auch dazu seine militärische Macht ein. So hat zum Beispiel das Regionalkommando für Afrika, AFRICOM (im Bild rechts der Kommandant des AFRICOM, General Kip Ward mit Kindern in Djibouti), nicht nur militärische Aufgaben zu übernehmen. Es soll gemeinsam mit anderen US-Regierungsstellen und internationalen Partnern ganz allgemein für Sicherheit und Stabilität in Afrika sorgen. Anders als traditionelle Kommandos, wird sich
AFRICOM gemäss seiner eigenen Homepage mehr auf Kriegsprävention als auf Kriegsführung konzentrieren. Um das zu erreichen, soll das Kommando alle bisherigen Pentagon-Aktivitäten bündeln. Dazu gehören auch Aufträge, die bisher eher dem Bereich der Entwicklungshilfe zugeordnet waren.

Entscheidender Machtfaktor Demographie
Das strategisch-militärische Denken wird am Deutlichsten bei einem scheinbar so unmilitärischen Thema wie der Bevölkerungsentwicklung. Anders als zum Beispiel wir Europäer, machen die Amrikaner sich nicht einfach Sorgen um die Zuknft unseres Planeten im Sinne von: „Wieviele Menschen erträgt die Welt“. Die USA macht strategisch-militärische Überlegungen über die Auswirkung des sich für etwa 2050 abzeichnenden Endes des weltweiten Bevölkerungswachstums und speziell über das ungleiche Wachstum der Bevölkerung in dieser Welt in den nächsten 5o Jahren.
Das Centre for Strategic International Studies (CSIS) hat die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sache demographische Entwicklung - natürlich - macht-strategisch untersucht und in einem Buch mit dem Titel "The Greying of the Great Powers", "Das Ergrauen der Grossmächte", herausgegeben. Zufrieden stellen die USA darin fest, dass sie - im Gegensatz zu den konkurrierenden Grossmächten Europa und China oder zur militärischen Konkurrenzmacht Russland - kein gravierendes Problem mit der Ueberalterung haben.
In China "rächt" sich gemäss dieser Einschätzung in den nächsten Jahren die Politik der Ein-Kind-Familie der letzten Jahrzehnte. Immer weniger arbeitsfähige Menschen werden eine immer grösser Zahl von Alten zu versorgen haben. Ganz ähnliche Probleme - wenigsten bei einer höheren Produktivität und wesentlich höherem Wohlstand - hat Europa.
Amerikanische Strategie-Experten sind überzeugt, dass die USA nur allein schon wegen der für sie günstigen demographischen Entwicklung, auch am Ende dieses Jahrhunderts die führende Macht auf dem Globus sein werden.

Andrerseits stellen die Weltregion mit einer sogenannten "Youth-Bulge", einer grossen Zahl sehr junger Menschen ein sicherheitspolitisches Risiko für die USA dar. Junge Gesellschaften, welche erst noch okönomisch schwach sind, sind instabil und häufig gewaltbereit. Die Studie geht deshalb davon aus, dass die USA noch bis weit über die Mitte des 21. Jahrhunderts mit Problemen im Nahen und Mittleren Osten, aber auch vermehrt in Afrika konfrontiert sein wird.

Die CSIS-Studie (Download PDF am Ende der Webpage) kommt zum Schluss: "Throughout the world, the 2020s will likely emerge as a decade of maximum geopolitical danger." "Die 20er-Jahre dürften weltweit die Dekade der grössten geopolitischen Gefahr darstellen".

Stratfor Herausgeber Friedman teilt die Einschätzung der Instabilität in den 20er-Jahren, nicht aber, dass damit das Schlimmste in diesem Jahrhundert überwunden sein werde. Er prognostiziert für nach der Jahrhunderthälfte einen neuen Weltkrieg: Zwischen den USA und ..... der Türkei, Polen und Japan! (Friedman S. 193 ff.)

Viele Kriege, aber "weniger katastrophal"
Bei all den Horrorszenarien haben Friedman und auch andere Experten wenigsten EINEN Trost bereit: Es wird zwar eine Vielzahl von Kriegen geben, aber nur die wenigsten mit geopolitscher Bedeutung, respektive ohne, dass wir Westler direkt darin einbezogen wären und "diese Kriege werden weniger katastrophal sein, sowohl wegen der technologischen Veränderungen wie auch wegen der veränderten 'Natur der geopolitischen Herausforderungen'." (Friedman S. 8)

Keine Kommentare: