Sonntag, 2. November 2008

The Party is Over

Das Life-Style Magazin "Vanity Fair", das immer mal gut ist für eine journalistische Ueberraschung, findet einen originellen Zugang zum Thema Finanzkrise.
In einem Artikel mit dem Titel: "Stilvoll verarmen in Zeiten der Krise", beschwört Autor Alexander von Schönburg (siehe Bild unten rechts) "The bright side", die schönen Seiten der Krise und tröstet die Verlierer. Etwa im Sinne von: Die Verlierer von heute, sind die Geniesser von morgen. Leider schafft Schönburg, ehemals Mitglied des "popkulturellen Quintetts" (u.a. der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht) den Bogen zum wirklich anders Denken aber nicht.

Schlüsselsätze:

"„Scheitern", schrieb einmal der amerikanische Soziologe Richard Sennett, „ist das große Tabu der Moderne." Damit ist es endlich vorbei. Die größten Helden der Gegenwart machen uns das Scheitern vor und nehmen ihm damit das Beschämende."

"Jahrzehntelang redete der Kapitalismus uns ja ein, Scheitern sei peinlich. Armut bedeutete: „Der hat's nicht gepackt", der Blöde, der Faule. Doch die Legende des Kapitalismus, der uns ständig einbläute Jeder kann!", hat sich als unhaltbar erwiesen. Es kann eben nicht jeder! Karrieren werden geknickt, es gibt Gewinner und Verlierer, und die Verlierer werden immer mehr. Wer heute arm ist, muss sich nicht länger als persönlich Scheiternder fühlen - er verarmt als Teil eines viel größeren Prozesses. Damit bekommt sein Schicksal eine historische Dimension, die tröstlich sein kann."

"Was ist denn nun, wenn wir uns alle ein wenig einschränken müssen? Wenn wir unser Grundrecht auf Dividendenzahlungen, Thailand-Urlaube, Zweitwagen und Flachbildfernseher verlieren? Muss das so schlimm sein? Nicht unbedingt. Einschränkung kann, sagt zum Beispiel Epikur, zur Genussmaximierung beitragen. Für Epikur führt zeitweiliger Verzicht schlicht zur Steigerung der Genussfähigkeit. Anders gesagt: Wer täglich Kaviar isst, weiß ihn irgendwann gar nicht mehr zu schätzen."

"Als am 15. September 4500 Mitarbeiter frühmorgens an ihrem Arbeitsplatz bei Lehman Brothers am Canary Wharf in London erschienen und ihnen mitgeteilt wurde, dass ihre Firma liquidiert werde und sie sich einen neuen Job suchen sollten, strömten die einen mit ihren Topfpflanzen auf die Straße und ließen sich dort von den herbeigeeilten Pressefotografen beim Bedröppeltsein fotografieren, andere kaperten das Lausprechersystem der Firma, ließen den R.E.M.-Song „It's the End of the World as We Know It" durch die sich leerenden Hallen schmettern und schmissen eine ausgelassene Party. (Wer wird wohl eher wieder auf die Füße kommen? Die Jammerer oder die Feierer?)

"Wo immer auf der Welt in diesen Tagen panisch verkauft wird - irgendwo gibt es immer Käufer. Und genau die sind die Gewinner von morgen. Die alte Faustregel „When nobody is afraid, be fearful - when everybody is afraid, be bullish" -jetzt gilt sie!
In ein paar Jahren werden viele Namen der heute noch Superreichen einfach vergessen sein. Dafür werden uns neue Namen geläufig sein - und zwar von den Leuten, die jetzt die Nerven behalten haben."

Spätestens hier wird leider klar, dass der Vanity Fair - Autor nicht wirklich den Bogen zum Geniessen - zum anders denken - schafft. Er tröstet die Verlierer bloss und hofft darauf, bald wieder bei der Party der neuen Gewinner dabei zu sein. Er hat nicht gecheckt, dass der Clou des REM-Titels am Ende liegt: Das Ende der Welt WIE WIR SIE KENNEN.

Da ist doch das Forum for the Future, welches ich auf Contextlink besprochen habe viel konsequenter und origineller, wenn es unter dem Titel:
Die Neudefinition des Fortschritts
ein wirklich anderes Szenario für das Jahr 2030 skizziert:

"Dieses Szenario ähnelt eher einer sozialen Utopie, die aus wirtschaftlicher Not geboren wird. Die globale Depression von 2009 bis 2018 hat den Menschen insbesondere in den Industrieländern einen bescheideneren Lebensstil aufgezwungen, so dass man sich nun stärker auf den persönlichen Wohlfühlfaktor und die Lebensqualität besinnt. In den USA arbeiten die Menschen üblicherweise 25 Stunden pro Woche für sich selbst und zehn weitere freiwillig für ihre Gemeinden. ................"

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