Donnerstag, 6. November 2008

Grossmacht Iran

Fünf amerikanische Präsidenten haben seit rund 30 Jahren versucht, eine vernünftige Iran-Politik zu machen. Alle sind gescheitert. (Historische Hintergründe liefert Ferhad Ibrahim von der Freien Universität Berlin in „Iran und Irak in der Phase II des amerikanischen Kriegs gegen den Terror“).

Jetzt ruhen die Hoffnungen auf dem künftigen US-Präsidenten Obama (auch hier), endlich eine Lösung MIT dem Iran zu finden (nicht zuletzt auch im Iran). Doch Wunder dürfen (auch hier) von Obama keine erwartet werden.

Stratfor nennt den Irak die Nummer eins auf der aussenpolitischen Prioritätenliste Obamas:
1. Rückzug aus dem Irak
2. Die Russland-Frage
3. Europa und die Finanzkrise

Obama ist zur Zeit mit zwei Kriegen konfrontiert als Folge des unsäglichen, von der Bush-Administration inszenierten "Krieg eggen den Terror", die nicht zu gewinnen sind: Eben Irak und Afghanistan. Und in beiden Kriegen wird wird es keine Lösung geben, ohne den einflussreichen Nachbarn: Iran.

Obama hat in seinem Wahlkampf immer gesagt, er werde die US-Truppen ganz aus dem Irak abziehen. Doch ob er dieses Versprechen halten kann, ist offen. Denn ein kompletter Rückzug ohne zumindest eine Restpräsenz im Irak „öffnet die Türe für Iran“, wie Stratfor in seiner aktuellen Analyse schreibt.

Iran bald führende Macht im Nahen Osten
Ein Rückzug der Amerikaner aus dem Irak wird es mit allergrösster Wahrscheinlichkeit dem Iran erlauben, eine seinem eigentlichen Potential und historischen Selbstverständnis entsprechende zentrale Rolle im Nahen Osten und der gesamten Brücke zwischen Mittelmeer und Asien zu spielen. Die Karten im Nahen Osten würden völlig neu gemischt und damit dürften einige aktuelle Regionalmächte, die bisher von der amerikanischen Uebermacht profitiert haben, von der neuen Entwicklung schwer beunruhigt sein. Saudiarabien (und andere Golfstaaten) und Israel werden alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um einen totalen Rückzug der USA aus dem Irak zu verhindern.

Und die Iraner erkennen natürlich ihre Chance: Nicht nur Präsident Ahmadinejad hat Obama umgehend gratuliert, auch eine ganze Reihe von Topleute aus dem Klerus der Ayatollahs habe sich positiv zur Entwicklung in Amerika geäussert.


Irak kommt unter iranischen Einfluss
Iran's höchte sicherheitspolitische Sorge gilt dem Irak, gegen den man vor noch nicht allzulanger Zeit einen langen, unglaublich blutigen Krieg geführt hat.
Ueber die irakischen Schiiten verfügt der Iran schon heute über grossen Einfluss im Iran. Und Teheran wird nach einem Abzug der Amerikaner zumindest dafür sorgen, dass in Bagdad eine Regierung an der Macht ist, die keine Gefahr für den Iran darstellt. Wahrscheinlicher ist aber, dass Iran ganz direkt die Politik eines Amerika-befreiten Iraks beeinflussen wird. (Uebrigens: damit wären auch wieder die Jahrtausende-alten Verhältnisse des historischen Persiens mit seinem Zentrum im Grossraum Euphrat und Tigris (heute Irak) wiederhergestell.)
Dies wird zuerst einmal die Saudis auf den Plan rufen. Iran würde zum wichtigsten Gegenspieler der fundamentalistischen Scheichs im Königshaus von Riad und in den anderen Golfstaaten. Und natürlich Israel, das sich von Iran direkt (Nuklearwaffen) und indirekt (via Syrien und die dortigen Hisbollahs) bedroht fühlt. Spannend zu beobachten wird die Rolle der Türkei sein.
Bereits hat Israels Aussenministerin Zipi Livni sich kritisch-nervös zu einer möglichen direkten Kontaktnahme der neune US-Administration mit dem Iran geäussert.

Totalrückzug der USA aus Irak unwahrscheinlich
Insgesamt dürfte Obama einer breiten Koalition entgegen stehen, die es Amerika schwer machen wird, den versprochenen totalen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak schon kurzfristig zu realisieren. Heute kann davon ausgegangen werden, dass der neue US-Präsident Obama zumindest wichtige Restbestände im Irak lassen wird. Gleichzeitig wird er aber schon bald direkt mit dem Iran verhandeln.
Hier hat die Schweiz, als traditioneller Interessenvertreter der USA gegenüber dem Iran, wohl eine Brückenfunktion wahrzunehmen. Spannend wäre, dazu die Meinung des Schweizer Ex-Botschafters in Teheran,Tim Guldimann, zu hören.

Dialog statt Krieg USA-Iran
Amerikanische Medien gehen inzwischen auch davon aus, dass dieser direkte Dialog von Obama mit dem Iran schon sehr rasch starten wird. Sie zitieren Obamas Aeusserungen im Wahlkampf: „For us not to be in a conversation with them doesn't make sense.“ (Nicht mit ihnen zu reden macht keinen Sinn). Der Daily Star aus Michigan schreibt heute zum Beispiel: „Now he (Obama) has the opportunity to follow through.“ (Jetzt hat er die Möglichkeit, das durchzuziehen). Dieser Weg wird schwierig sein, aber egal wie schwierig: Eine der grössten Gefahren dieser Welt und speziell für Europa scheint mit der Wahl Obamas definitiv gebannt: Ein Krieg der USA (und all seiner mehr oder weniger freiwilligen Alliierten) mit dem Iran ist wohl definitiv vom Tisch.“

Keine Kommentare: