Jedes Land hat den Jahresrückblick, den es verdient. Er erzählt viel über ein Land (und das, was die Verkäufer der Informationen als noch einmal für vermarktbar halten.)
The Dawn, eine der wichtigsten englisch-sprachigen Newsplattformen Pakistans, begnügt sich nicht mit einer langweiligen, chronologischen Aufzählung der Ereignisse des Jahres. Sie zieht eine Bilanz:
"Dieses Jahr geht an die Taliban und die Militanten", wie in einem Boxkampf: "Diese Rund geht an...".
Nicht die an sich schon erschreckende Zahl von fast 6000 Opfern des "Bürgerkriegs" 2012 lässt den Blogautor des Dawn, Murtaza Haider zu diesem Schluss kommen, sondern der Umstand, dass 2012 "das zweite Jahr in Folge" war, "in dem die Taliban und andere Militante der Zivilbevölkerung mehr Schaden zugefügt als selbst erlitten haben." Die Grafik im aktuellen Blog von The Dawn (Titelbild dieses Contextlink-Blogbeitrags) ist so bizarr wie vielsagend:
Allein im November 2012 kamen auf einen getöteten extremistischen Militatenten mehr als vier Opfer: unbeteiligte Zivilisten und Polizisten oder Soldaten. Die Jahresstatistik 2012 wird noch einmal schlechter sein als die von 2011 mit im Jahresschnitt von 1,3 Opfern pro getöteten Extremisten.
Die Statistik für das ganze Land beschönigt zudem den Fakt, dass es grosse regionale Unterschiede der Rate "Getötete Taliban pro getötete Zivilisten" gibt: In den nordwestlichen Regionen im Grenzgebiet zu Pakistan, die weitgehend von den Taliban kontrollierte werden, ist das Verhältnis "günstig". Hier bekämpft der Staat die Taliban immer mal wieder auch aktiv. Das führt statistisch und praktisch dazu, dass in diesen Regionen bis Mitte Dezember 2012 mehr als doppelt soviele Militante getötet wurden wie Zivilisten und Soldaten/Polizisten. In der Region der Megastadt Karachi ganz im Süden des Landes ist das ganz anders: Hier haben die Taliban praktisch ungehindert von der Staatsmacht ihren Terror ausgeübt: Hier kommen 1361 zivile Opfer auf "nur" 111 Militante. (alle Daten via The Dawn von Southasian Terrorismus Portal).
Die schier endlose Liste aller Terroranschläge in Karachi dieses Jahres (bis zum statistisch erfassten 16. Januar) gibt es hier.
Wichtig: Es ist klar zu unterscheiden zwischen den afghanischen und den pakistanischen Taliban. Die pakistanischen haben einzig eine lokale, eben pakistanische Agenda. Sie bekämpfen den Staat und die de facto herrschenden regionalen und lokalen Clanchefs mit dem Ziel, selbst die Macht zu übernehmen und die Scharia einzuführen.
Bis 2009 haben die (pakistanischen) Taliban zum Beispiel in der "Schweiz Asiens", im Swat-Tal uneingeschränkt von der Staatsmacht in Islamabad regiert und auch heute noch kontrollieren sie grosse Gebiete im Grenzbebiet zu Afghanistan.
Und auch in den offiziell von der Staatsmacht 2009 zurückeroberten Gebieten der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (inkl. die Millionenstadt Peshawar), herrscht ein prekärer Friede. Die Taliban sind omnipräsent.
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