Montag, 10. Oktober 2011

Victor Bout: Jetzt auch Teil der Geschichte des Internets.

Victor Bout: "Geschäftsmann" oder "Händler des Todes"?
Victor Bout, der wohl berühmteste Waffenhändler der 90er-Jahre in Afrika und darüberhinaus, könnte künftig auch in der Geschichte des Internet einen festen Platz haben.
Morgen beginnt in New York der Prozess gegen den 44-jährigen Russen, der von den Medien gern als „Händler desTodes“ bezeichnet wird, weil er skrupellos Waffen an „Terroristen“ und Warlords zum Beispiel in Afghanistan, Liberia, Angola oder im Kongo geliefert hat.

Politische Brisanz.
Viele fürchten den Prozess. Einerseits könnten „Enthüllungen“ über die Verwicklung des russischen Geheimdienstes - inklusive die Kreise um Präsident Putin - zu Missstimmungen zwischen USA und Russland führen. Andrerseits könnten im Prozess aber auch unangenehme Wahrheiten für die amerikanischen Regierungsbehörden (CIA und Pentagon) und die UNO ans mediale Tageslicht kommen: Sie haben nämlich die Dienste Victor Bouts ebenfalls in Anspruch genommen. (Contextlink hat mehrfach über den Fall Bout berichtet. Heute liefert ISN eine Art Zusammenfassung – auf englisch).

Internetverbot für Geschworene.
Diese politische Brisanz ist aber nicht der Grund, warum der Name Viktor Bout in der Geschichte des Internets einen wichtigen Platz einnehmen wird. Schuld ist eine Bundesrichterin am United States District Court for the Southern District of New York : Shira A. Scheindlin.
Shira A. Scheindlin, US-Bundesrichterin
Die 65-Jährige Richterin ist in Schweizer Bankenkreisen keine unbekannte: Sie hat schon im Fall UBS Warburg vs. Zubulake 2003/04 Verfahrensentscheide im Bereich E-Discovery – die Offenlegung von elektronischen Daten – gefällt, die normensetzend waren, nicht nur für amerikanische Gerichte.

Jetzt verlangt Senior Judge Scheindlin von den Geschworenen im Bout-Prozess, dass sie eine Erklärung unterschreiben, keine Informationen zum Fall Bout im Internet zu lesen.
Das Problem, dass sich Geschworene von nicht überprüfbaren „Informationen“ im Internet beeinflussen lassen, ist ein ständig wichtiger werdendes Thema in den USA. Eigentlich ist diese neue Massnahme nur konsequent: Geschworene sind auch angehalten, keine Zeitung zum Fall zu lesen, der zur Verhandlung steht.

Dass eine Richterin von ihren Geschworenen aber eine eidesstattliche Erklärung verlangt, keine Artikel zum Fall im Internet zu lesen, ist neu. Von einem solchen Fall, habe sie "noch nie gehört", sagte die Präsidentin der AmericanSociety of Trial Consultants, Tara Task, gegenüber der New York Times.

Internetgeschichten zu Victor Bout gibt es unzählige
Die Amerikaner haben die Medien mit Infos bedient, die ihre Variante der Geschichte des "Lord of War"  darstellen. Die Russen und Victor Bout selbst haben medial dagegen gehalten.


Dünne Anklage. Gute Chancen für Bout.
Amerikanische Gerichts-Spezialisten glauben, dass die Chancen für den Angeklagten Victor Bout auf ein mildes Urteil oder gar einen Freispruch recht gut sind. Nicht wegen des Internetverbots für die Richter. Nicht zuletzt hat Richterin Scheinlin schon im Pre-Trial, die Anklage als wenig fundiert bezeichnet. Die Anklage sei dünn. So will sie insbesondere die Aussagen Bouts, die er bei seiner Verhaftung in Thailand 2008 gegenüber den als kolumbianischen Guerillas getarnten Agenten der Antidrogenbehörde DEA gemacht hatte, gar nicht im Prozess berücksichtigen. Bout habe diese Aussagen „unfreiwillig" gemacht. Die DEA-Agenten hätten ihm wider besseres Wissen versprochen, er werde unverzüglich an ein Gericht in die USA überstellt und müsse nicht in Thailand in Haft. Bout aber sass fast zwei Jahre in Thailand in „Untersuchungshaft“ bevor er im Oktober 2010 doch an die USA ausgeliefert wurde.

Keine Kommentare: