Donnerstag, 24. Februar 2011

Auswirkungen der "Revolution in Arabien" auf uns

Langsam werden die Auswirkungen der "Revolution in Arabien" auf den Westen - auf uns - offensichtlich. Wir müssen uns nicht nur auf eine Welle von "Flüchtlingen" einstellen, sondern auch auf steigende Ölpreise - nicht einfach nur vorübergehend. Und damit droht der eben einsetzende Aufschwung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder abgewürgt zu werden.

Vordergründig steigt der Ölpreis wegen den schlimmen Ereignissen in Libyen. Tatsächlich ist Libyen aber kein wirklich relevanter Öllieferant. Der saudiarabische Energieminister Ali al-Naimi hat am Dienstag denn auch versichert, die OPEC werde eventuelle Lieferausfälle kompensieren.

Doch der Ölpreis steigt weiter. Ganz offensichtlich genügt die Versicherungen der Saudis nicht, den Ölmarkt zu beruhigen. Die Ölhändler fürchten, auch die wirklich wichtigen Öllieferanten im Nahen Osten werden von der arabischen Revolution "angesteckt".

Und es spricht Einiges dafür, dass es diesmal nicht einfach nur skrupellose Ölspekulanten sind, die die Gunst der Stunde nutzen, um kurzfristig noch mehr Geld zu verdienen. Die Sorgen im Ölbusiness scheinen diesmal wirklich begründet. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnte am Mittwoch offiziell vor einer neuen Ölkrise.


Nächster Dominostein Saudiarabien?
Das Worstcase für den Öl- und Benzinmarkt wäre, wenn "die Revolution" Saudiarabien, den wichtigsten Öllieferanten der Welt, erfassen würde. Allseits wird zwar versichert, das saudische Königshaus sei nicht gefährdet. Aber das Verhalten des Marktes belegt das Gegenteil. Und auch das Verhalten des saudischen Königshauses:

Saudi Arabien droht
Am Dienstag hat Saudiarabien eine sehr beunruhigende, offizielle Verlautbarung veröffentlicht: Man stehe „mit allen seinen Möglichkeiten“ bereit, Bahreins regierende Königsfamilie an der Macht zu halten, wenn die seit Tagen anhaltenden Unruhen nicht rasch beendet würden. Ob die Saudis tatsächlich ins Auge fassen, sogar militärisch in Bahrein zu intervenieren, ist gar nicht entscheidend. Die heftige Drohung der Saudis manifestiert, für wie bedrohlich das ultra-konservative Königshaus in Riad die Situation in Bahrein hält. Es befürchtet offenbar ernsthaft, die Flut des Aufruhrs von Bahrein könnte nach Saudiarabien überschwappen.

Das ist der Grund: Die Bewohner Bahreins sind mehrheitlich Schiiten. Die herrschende Königsfamilie ist sunnitisch. Die Insel Bahrein ist durch eine Brücke mit dem saudischen Festland verbunden - genau mit der Ostprovinz Asch Scharqiyya. Diese ist nicht nur Saudiarabiens wichtigste Ölprovinz, sondern die Bevölkerung dort ist … ebenfalls grossmehrheitlich schiitisch. Bereits hat es vereinzelte Solidaritätskundgebungen für die Glaubensbrüder in Bahrein gegeben. Das ist bedrohlich für das Königshaus in Riad. Seit Jahren brodelt es in der schiitischen Bevölkerung Saudiarabiens. (Nur rund 20 Prozent der Saudis sind Schiiten.) Sie leiden unter der Diskriminierung durch den sunnitischen Machtappparat der Zentralregierung. 

Sunnitisch-schiitischer Antagonismus
„Das ist Riads ultimativer Albtraum – eine weitere Stärkung der politischen Kraft der Schiiten in der an Öl reichen Provinz“, schreibt Graham Fuller in der New York Times.
Die Schiiten - die Anhänger der zweitgrössten Konfession des Islam - sind der wirkliche Feind der saudischen Machthaber. Die Schiiten im eigenen Land und vor allem die jenseits des Meers, die Iraner.

Tatsächlich orientieren sich die Bahreini und die schiitischen Saudis eher am irakischen Shiitenführer Ali Sistani als an den Mullahs in Teheran. Aber die saudischen Machthaber, die Wächter der Heiligen Stätten des Islam, müssen verzweifelt zur Kenntnis nehmen, dass der Aufstieg des schiitischen Iran zur führenden Macht im arabischen Raum unausweichlich ist. Und damit steht auch eine - hoffentlich nur kulturelle - innerislamische Bereinigung bevor.


Iran ante Portas
Mit dem definitiven Abzug der US-Truppen aus dem Irak bis Ende dieses Jahres wird Iran die unumstritten stärkste militärische Macht im Raum zwischen Mittelmeer und Asien sein.

Der Irak wird praktisch ein iranischer Satellit sein und der Iran sein direktes Einflussgebiet bis an die Grenze der saudischen Ostprovinz verschieben. Und dort ist die Bevölkerung … eben schiitisch. Und damit ist auch die Führungsmacht der Saudis in der islamischen Glaubenswelt in Gefahr. Kein Wunder also, dass sich die Saudis fürchten und alles daran setzen werden, die bedrohliche Entwicklung zu verhindern. Sie fürchten nicht nur das überschwappen der „demokratischen“ Flut, die ihre Herrschaft wegschwemmen könnte. Als noch bedrohlicher empfinden sie offenbar die Erstarkung der Schiiten.

Neuordnung des arabischen Raums ...
Zur Neuordnung der arabischen Welt wird nicht nur eine „Demokratisierung“ und eine Säkularisierung gehören, die sich mittelfristig wohl auch im Iran durchsetzen wird. Es wird auch zu einer Bereinigung der religiös-islamischen Verhältnisse zwischen Schiiten und Sunniten  kommen müssen. Die bisher sunnitisch dominierte arabische Welt wird sich mit der neuen (schiitischen) Führungsmacht Iran arrangieren müssen - egal ob die Mullahs in Teheran stürzen oder nicht. Immerhin besteht die Hoffnung, dass die anstehende religiöse Ausmarchung etwas zivilisierter ausfallen wird, wenn sie von säkulären Staatsgebilden und  Regierungen ausgefochten wird und nicht von fundamenatlistischen Theokratien.

... mit direkter Wirkung auch bei uns
Ohne Schmerzen wird die Neuordnung des arabischen Raums aber sicher nicht über die Bühne gehen.
Auch mit Auswirkungen weltweit. Und wir werden ganz direkt betroffen sein. Mit zunehmender Migration und höheren Ölpreisen. Schwierige Zeiten.

Keine Kommentare: