Donnerstag, 24. Juni 2010

Afghanistan: Obama geht auf's Ganze


Jetzt soll es in Afghanistan also der grosse Star des amerikanischen Militärs richten: David Petraeus.
Damit setzt Präsident Obama seinen mit Abstand wichtigsten militärischen Joker. Er geht auf's Ganze:
  • Er schickt den Chef selbst an die Front. Petraeus war, als  Chef des US-Zentralkommoandos CENTCOM, bisher auch Vorgesetzter des geschassten Afghanistan-Oberkommandierenden Stanley McChrystal.
  • Petraeus ist aktuell DER Held des amerikanischen Militärs. Er hat die USA nach Meinung der wichtigsten Leute in den USA im Irak vor einem noch viel grösseren Desaster gerettet. Das soll ihm jetzt auch in Afghanistan gelingen. Sollte er scheitern, wäre das eine verheerende Katastrophe für das Image der Armee, womöglich mit Langzeitwirkung: z.B. weniger Verteidigungsaufgaben, bescheidenere US-Militär-Missionen und weniger Einsatz-Regionen.
  • Petraeus ist auch der Kopf der geltenden Einsatzdoktrin der USA: Counterinsurgency (die Inhalte der Doktrin hat Contextlink hier erläutert). Petraeus hat die Strategie ursprünglich für den Irak entwickelt und dort auch "erfolgreich" umgesetzt. Auf der Petraeus-Doktrin basierend haben die USA auch die Truppen für Afghanistan massiv aufgestockt. Seither steigt die Zahl der Toten Monat für Monat massiv: Im Juni sind es bisher allein 80, mehr als je zuvor. 
    Alle haben gewusst, dass mit der neuen Doktrin mehr Soldaten sterben werden, weil die neue Taktik verlangt,  dass die Soldaten ganz nahe bei der Bevölkerung sind, häufig in kleinen Gruppen und zu Fuss unterwegs. Dies wird auch Petraeus nicht ändern können, denn seine Taktik nimmt diese Mehr-Toten als vorübergehendes Opfer bewusst in Kauf. Wenn er mit der schmerzhaften Taktik nicht rasch durchschlagende Erfolge erzielt, wird Petraeus rasch die Unterstützung in den USA verlieren. Der Rückzug der Truppen wird gefordert werden und mit Petraeus Scheitern, scheitert auch die aktuelle Taktik der aktuell dominierenden Militärmacht  der globalisierten Welt. Ein Desaster für die USA, deren Dominanz in der aktuellen Weltordnung nicht zuletzt auf ihrer überlegenen militärischen Stärke beruht.
  • Scheitert Petraeus, scheitern die USA in Afghanistan, hat dies geostrategische Auswirkungen nicht nur auf den ganzen Raum Vor- und Zentralasien, sondern global.
  • Ein Scheitern der USA in Afghanistan würde Präsident Obama politisch nicht überleben. Damit knüpft Obama auch sein persönliches (politisches) Schicksal an General David Petraeus.
Gemäss dem von Präsident Obama im vergangenen Dezember angekündigten Plan sollen die Truppen (nach der vorübergehenden, aktuellen Erhöhung der Bestände) am Sommer 2011 schrittweise aus Afghanistan abgezogen werden, weil bis dann die afghanische Armee soweit ausgebildet sein soll, dass sie die Hauptlast des Kriegs gegen die Taliban tragen könne.
Daran glaubt schon länger niemand mehr. Im Gegenteil: Einige halten es für möglich und sogar sinnvoll, dass Obama jetzt mit Unterstützung der militärfreundlichen Kreise (u.a. Senator McCain) in die Offensive geht und kurzfristig noch mehr Truppen als so schon geplant nach Afghanistan schickt. Dies hat McChrystal immer schon gefordert und es entspricht auch der Petraeus-Doktrin: Ein kurzzeitiges, massives Aufrüsten, die Inkaufnahme eines erhöhten Blutzolls, um aber in relativ kurzer Zeit einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen und die Truppen deshalb unterm Strich wieder schneller "nach Hause zu bringen".

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