US-Aussenministerin Hillary Clinton ist zur Zeit auf Lateinamerika-Visite (eine Gesamtanalyse dazu gibt's hier bei Foreign Policy). Heute Mittwoch ist sie in Brasilien, der wichtigsten Station ihres Trips. Das Haupttraktandum heisst Iran.
Schon seit einiger Zeit profiliert sich Brasilien als "Führungsmacht des Südens", nicht zuletzt indem es mit anti-amerikanischen Positionen kokettiert: In Honduras, in Venezuela, in Haiti.
Bisher haben die USA das in Kauf genommen, denn Brasilien gilt in Amerika mit seinem charismatischen Präsidente Lula da Silva noch immer als verlässlichster und entscheidendsten Partner in Südamerika, nicht zuletzt als "Brücke zu der Lateinamerikanischen Linken (Staaten)", wie es die einflussreiche und der US-Administration nahestehende US-"Denkfabrik" Strategic Forecasting Inc. (Stratfor) in ihrer aktuellen Analyse formuliert. Vor allem aber weil man mit Da Silva "eine gemeinsame Sicht der wirtschaftsfreundlichen Politik" teile.
"In Schussdistanz" der USA
Jetzt aber schlägt die auch "Schatten CIA" genannte Stratfor in ihrer ausführlichen Analyse "Brazil, Iran: A Troublesome Relationship for the U.S." (Anm.: alle folgende Zitate stammen aus diesem Artikel) erstmals kritische Töne gegenüber Brasilien an. Offenbar ist Brasilien den Amerikanern jetzt mit ihrer wiederholten rhetorischen Unterstützung des Irans zu weit gegangen: Dies habe Brasilien jetzt "in Schussdistanz" ("within firing range") zu einem der sensibelsten politischen Felder der USA gebracht.
Brasilien unterläuft Isolation Irans
Seit Monaten unterläuft Brasilien systematisch die Bemühungen der USA zur Isolation der iranischen Regierung und ihres Präsidenten Ahmadinejad. Brasilien hat im vergangenen Sommer Ahmadinejads Wiederwahl offiziell begrüsst, ihn im Herbst sehr warm in Brasilien empfangen und eben hat sich da Silva auch explizit gegen die Isolation des Iran ausgesprochen: "Wenn man Frieden mit jemandem will, kann man ihn nicht isolieren".
Die "iranisch-brasilianische Liebesaffäre" sei bisher nichts mehr als "Rhetorik", schreibt Stratfor, aber die Irritation der USA ist offensichtlich. Brasilien ist zur Zeit Mitglied des UN-Sicherheitsrats, der wohl schon bald über weiterführende Sanktionen gegenüber Iran entscheiden wird.
Im Mai will Lula da Silva Teheran besuchen, um die weitere konkrete Zusammenarbeit zu verhandeln, mit dem Ziel, dass Iran auch gewisse "Sachen" in Brasilien kaufen könne, wie Lula am 24. Februar kryptisch formulierte.
Als wirklich kritisch betrachtet Stratfor zwei mögliche Kooperationsbereiche zwischen dem Iran und dem Irak: Die Atomenergie und das Bankenwesen. Dank bereits eingefädelter enger Kooperation mit brasilianischen Banken könnte der Iran wahrscheinliche US-Sanktion unterlaufen.
Jetzt will Aussenministerin Clinton also Lula da Silva die Knöpfe eintun. Doch Stratfor stellt nüchtern fest, Brasilien gehe es eigentlich gar nicht um den Iran, sondern um seine weitere Profilierung als Führungsmacht in Lateinamerika: "Brasilien hat das politische und wirtschaftliche Gewichte, sich selbst als regionale Hegemonialmacht zu erklären". Und Brasiliens da Silva betrachte es offensichtlich als "diplomatischen Gewinn", wenn er "vermehrt konträre Positionen zu den USA" propagiere.
Da ist eine äussert spannende Entwicklung im Gang.
USA hofft auf Machtwechsel in Brasilien
Ziemlich unverholen droht Stratfor, die USA könnten Brasilien dort treffen, "wo es am meisten weh tut: In der Brieftasche". Nicht zufällig erwähnt Stratfor, dass Lula da Silvas Amtszeit dieses Jahr zu Ende geht und es noch keineswegs sicher ist, dass seine designierte Nachfolgerin Dilma Rousseff im Oktober die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird. Es ist ganz offensichtlich, dass die USA darauf hoffen, dass sich mit dem Kandidaten der Opposition, Jose Serra, dem Gourverneur von Sao Paolo, ein dezidierter Amerikafreund durchsetzen wird, der die gemäss Stratfor "abenteuerliche" Aussenpolitik da Silvas beenden würde.
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