Brasilien ist einer der grossen Gewinner der globalen Krise. Nicht nur wirtschaftlich. Das Land profiliert sich zusehends als neue Führungsmacht des Südens. Auch als Gegenmacht zur USA.
„Deutschland empfängt in dieser Woche einen sehr selbstbewussten Gast“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung letzten Mittwoch zu Beginn des Besuchs des brasilianischen Staatspräsidenten Lula da Silva in Deutschland. Lula komme „als Vertreter eines neuen Wirtschaftswunderlands.“
Daran muss sich die westliche Welt, die alte Macht dieser Welt, zuerst noch gewöhnen. Da kommt einer aus den ehemaligen Kolonien der „Dritten Welt“ nicht als Bittsteller nach Europa, sondern auf Augenhöhe. Er hat etwas zu bieten, mehr noch: Er stellt Forderungen, zum Beispiel bei der Liberalisierung des Welthandels. Ein Schwergewicht wie Deutschland, Europa, tut heute besser daran, Brasilien als Partner zu hofieren, denn das Land vom Amazonas ist auch ein mächtiger Konkurrent: Brasilien hat die Wirtschaftskrise schneller überwunden als die westlichen Mächte und gehört heute zu den 10 grössten Volkswirtschaften dieser Erde und bis in 10, 15 Jahren dürfte es die alten imperialen Grossmächte Grossbritannien oder Frankreich hinter sich gelassen haben.
Trotz drängender Probleme im Innern ...
Niemand schliesst die Augen vor den nach wie vor drängenden Problemen Brasiliens, verdeutlicht durch die negativ-Schlagzeilen der letzten Wochen, die allein Rio de Janeiro gemacht hat: grasssierende Kriminalität hält ganze Stadtteile in Geiselhaft, eine rückständige Infrastruktur stürzt die ganze Stadt in Dunkelheit. Doch diese Probleme verdecken den generell positiven Trend nicht:
Brasilien hat die globale Wirtschaftskrise schneller überwunden als die meisten „westlichen“ Staaten. Wachstumsprognose 2010: Mindestens 5 Prozent. Das Land ist heute so finanzstark, dass es nicht nur die Konjunktur aus eigener Kraft anregen kann, sondern auch noch Gelder für Problemländer zur Verfügung stellen kann. Ausländisches Kapital fliesst in grossen Mengen nach Brasilien, die brasilianische Währung ist eine der stärksten des gesamten Globus.
... Vorbild für die Armen Länder ....
Brasilien ist ein leuchtendes Vorbild, ein Mutmacher und Selbstvertrauengeber für alle armen Länder und seine Menschen: Es verfügt über eine breit diversifizierte Wirtschaft, über einen eigenen starken Binnenmarkt, ist nicht einseitig von Rohstoffexporten abhängig, sondern eine selbstbewusste Exportmacht auch von hochwertigen, verarbeiteten Gütern wie Autos oder Flugzeugen. Vor allem aber: Brasilien gibt den Menschen in seinem Land eine Perspektive: Millionen sind in den letzten Jahren aus der Armut in eine wirtschaftlich mittelständische Klasse mit akzeptabler Lebensqualität aufgestiegen. Und: Brasilien ist eine Demokratie.
Und Brasilien will heute auch eine Rolle spielen im Konzert der Mächtigen und ist zu einer der tonangebenden Stimmen auf den Weltgipfeln geworden. Auch in Klimafragen.
Klimasünder und Umwelt-Musterland
Zwar zählt Brasilien mit seiner fast unbegrenzten Abholzung der Amazonaswälder, der „Lunge der Erde“, zu den schlimmsten Umweltsündern. Doch insgesamt ist Brasilien im internationalen Vergleich ein Musterland in Sachen Umwelt. Seine grüne Energiewirtschaft (Strom aus Wasser, Benzin aus Zuckerrohr) macht Brasilien zum Musterland in Sachen CO2-Emissonen, nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch pro Kopf der Bevölkerung.
Widerstand gegen die USA
Politisch ist Brasilien auf dem Weg zur Grossmacht. Führungsmacht des Südens. Und dabei spielt etwas eine zentrale Rolle, das man im Westen gerne übersieht, aber bei den verletzten Ländern des Südens um so wichtiger ist: Brasilien hat sich nicht nur vom Westen emanzipiert, China, nicht mehr Amerika ist sein wichtigster Handelspartner, Brasilien wagt es, den USA offen die Stirn zu bieten: Fast provokativ empfängt Lula da Silva den iranischen Paria Ahmadinedschad und reklamiert das Recht des Iran auf die Nutzung der Atomenergie.
Selbstbewusst und als Zeichen für Südamerika ungeheuer wichtig auch Brasiliens anti-amerikanische Position in Honduras: Brasilien unterstützt den vom Militär aus dem Land gejagten Manuel Zelaya. Bietet ihm seit Wochen in seiner Botschaft in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa Unterschlupf und widersetzt sich der Anerkennung des neu gewählten und von den USA gestützten Porfirio Lobo.
Auch wenn Brasilien wohl in diesem Fall nachgeben werden muss, die symbolische Wirkung dieser anti-amerikanischen Haltung gegen die gehassten USA wird die Rolle Brasiliens als neue Führungsmacht des Südens weiter stärken.
Olympia als Plattform
Und der Westen hat Brasilien auch bereits eine Plattform vorbereitet, auf dem es sich als globaler Star präsentieren kann. Jung und selbstbewusst, schön und mächtig: Die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.
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