Bild: Al-Jazeera/EPA
Die Zahl der Talibankämpfer hat sich seit 2006 vervierfacht: Von damals 7000 auf heute 25'000. Dies ist gemäss der Nahrichtenagentur Reuters die aktuelle Schätzung des US-Geheimdienstes aufgrund seines neusten Reports. "Taliban-Truppen werden mehr" titelt das Handelsblatt, welches als eines der wenigen Medienprodukte diese Meldung aufgenommen hat.
Das soll wohl bedrohlich tönen. Doch bei Lichte betrachtet, kann man sich nur wundern: 25'000 Talibankämpfer, NUR 25'000 Talibankämpfer in ganz Afghanistan.
Zu ihrer Bekämpfung haben die vereinigten Kräfte der NATO (ISAF) und des afghanischen Staates (ANA) zur Zeit rund 200'000 Mann im Einsatz:
USA: rund 65'000 Mann
Übrige Alliierte: rund 39'000 Mann (Zahlen ISAF)
Afghanische Armee: rund 100'000 Mann (Stand August 2009).
Der oberste Kommandeur der US- und NATO-Truppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal fordert eine rasche Aufstockung "seines" Truppenbestand um weitere 40'000 Soldaten. Friedensnobelpreisträger und US-Präsident Barack Obama zögert. Von einem Entscheid sei man "Wochen entfernt", hiess es nach dem Meeting vom vergangenen Freitag im Weissen Haus.
Heute kommen also auf einen Talibankämpfer vier Soldaten aus dem Alliierten Lager. Kommt die geforderte Aufstockung, sind es 1 : 5. Allerdings sind die Zahlen auf Seite der Taliban sehr unsicher, eben nur Schätzungen. Ständig unter Waffen und im Einsatz dürften tatsächlich viel weniger Taliban-Kämpfer sein. Wie der Bericht des US-Geheimdienstes einräumt (immer gemäss Reuters), sind in den 25'000 auch Anhänger mitgezählt, die "weniger in Kämpfe involviert sind". Ein Vertreter des US-Verteidigungsmininsteriums sagte, für Aufstände seien nicht viele Rebellen nötig, um einen großen Schaden anzurichten. Sie könnten sich Zeit und Ort aussuchen, um anzugreifen.
Und damit sind wir bei einem zentralen Element der modernen Kriegsführung: Für die sind eine hochgerüstete Armee mit ihren traditionellen Strategien und maximalen Feuerkraft nicht geeignet. Hier finden keine strategische Schlachten von grossen Armee-Einheiten gegeneinander statt, sondern eine kleine Zahl von lokal perfekt verankerten "Aufständischen". Diese kann jederzeit fast überall zuschlagen ("hit and run") und ist auch von einer sehr grossen Anzahl von bestausgerüsteten Truppen nicht wirklich auszuschalten.
Das haben die Franzosen schon in den 50er Jahren in Indochina erfahren müssen, die Amerikaner zuerst in Vietnam und jüngst wieder im Irak. Und dort haben sie eine neue Militärtaktik entwickelt, die jetzt auf die speziellen Bedürfnisse in Afghanistan angewandt wird: Counterinsurgency. Die Krux dieser neuen Einsatzdoktrin erleben die USA zur Zeit in Afghanistan: Es braucht noch mehr Soldaten und es gibt noch mehr Tote in den eigenen Reihen.
Die neue Militärdoktrin der Counterinsurgency mag militärisch richtig sein, politisch aber ist sie unmöglich. Amerika (und Obama) muss dringend einen Ausweg finden. Die Lösung kann nicht militärisch, sondern muss politisch sein. Und alles deutet darauf hin, dass die USA begriffen haben: Wenn wir den Krieg GEGEN die Taliban nicht gewinnen können, müssen wir den Frieden MIT den Taliban machen. Und die USA sind unterwegs dazu.
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