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Zwei kleine Meldungen der letzten Woche sind mir besonders hängen geblieben: Die eine hat es in der Schweiz zum Beispiel in die BaZ und in die NZZ geschafft: "Arbeiter in China prügeln Direktor zu Tode" titelt ungewohnt boulevardesk die Zürcher Zeitung (Printausgabe). Gar nicht in die Schweizer Medien geschafft hat es eine Meldung aus Namibia: "Armeechef Namibias wegen Korruption entlassen."
Ich weiss, so eine exotische Afrika-Meldung interessiert hier wirklich fast niemanden ausser mir, zumindest auf den ersten Blick. Erst wenn man etwas genauer hinsieht, entdeckt man, welch spannende, weltpolitisch hochrelevante Geschichte sich dahinter verbirgt ... und dass es erst noch einen Zusammenhang mit der Meldung vom Lynchmord in China gibt. Eine richtige Contextlink-Geschichte:
Es geht um Geostrategie und "Einflusssphären" - um nicht zu sagen um die Weltherrschaft - zwischen China und dem "Westen", um Rohstoffmärkte, um Korruption und um die politische Zukunft der kommunistischen Staatspartei in China.
Zuerst ist es eine leider nicht speziell seltene Korruptionsgeschichte aus Afrika:
1. Ein afrikanischer Mächtiger bereichert sich:
Am 23. Juli hat Hifikepunye Pohamba, der Präsident des südwestafrikanischen Staates Namibia, seinen Armeechef Martin Shalli fristlos entlassen.
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Wie auch immer. So wahnsinnig spannend ist das ja noch nicht, auch wenn es ein weiterer Beleg ist für die Skrupellosigkeit - meist staatlicher - chinesischer Unternehmen bei der Eroberung neuer Märkte in Afrika und für die Anfälligkeit der Mächtigen in Afrika, sich selbst zu bereichern. Brisanter wird's, wenn man liest, dass es bei der kleinen afrikanischen Geschichte eine Verbindung in die absolute Top-Etage des chinesischen Staates gibt:
2. Die Verwicklung des Sohns des chinesischen Staatspräsidenten
Eine Woche früher, am 19. Juli, hat schon ein anderer Korruptionsfall in Namibia für Schlagzeilen gesorgt, in den ein staatliches chinesisches Konsortium verwickelt ist.
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Es ist zwar etwas unangenehm für Chinas Staatspräsident Hu Jintao, der übrigens letztes Jahr persönlich Namibia besucht hat, wenn sein Sohn im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika polizeilich gesucht wird wegen der Verwicklung in einen Korruptionsfall, während er selbst in China eine Kampagne zur Bekämpfung der Korruption fährt. Aber wirklich brisant wird's erst, wenn die amerikanische Nachrichten-Agentur ("Schatten-CIA") Stratfor einen Zusammenhang der Namibia-Affäre mit der Rio Tinto-Affäre in China und Australien herstellt ("Namibia, China: Curious Cases of Bribery").
Der Zusammenhang mit dem weltweiten Kampf um Rohstoffe
China ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Investoren in der ehemals deutschen Kolonie Südwestafrika, in Namibia geworden.
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Und China und Rio Tinto sind zur Zeit in einem Clinch, der viel mit Chinas riesigem Bedarf an Rohstoffen hat und auch sehr viel mit der Neuordnung der Welt nach der Finanzkrise:
Die Rio Tinto/China-Affäre
China ist der grösste Stahlproduzent der Welt. Rund 60% des Stahlbusinesses macht die erstaunlich vielfältige chinesische Schwerindsutrie.
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Seither sind die Chinesen stinksauer, sie fühlen sich laut der Financial Times Deutschland „gedemütigt“. Jetzt versuchen sie, Rio Tinto und Australien in einem veritablen Wirtschaftskrimi zu erpressen.
Chinas Preispoker und australische „Spionage“ in China
Am 5. Juli haben die chinesischen Behörden Stern Hu, einen australischen Staatsbürger mit chinesischen Wurzeln verhaften lassen. Er ist der oberste Repräsentant der Rio Tinto in China. Begründung: Bestechung und .... Spionage.
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Doch die staatlich gelenkte CISA hat die Preisverhandlungen verbockt. Amerikanische Medien stellen genüssiglich fest, dass sich die Unterhändler des chinesischen Staates reichlich tappig anstellen. Die chinesische Regierung hat sich verspekuliert. Sie glaubte, deren schwierige Marktsituation der Bergbaukonzerne nutzen und die Preise und Bedingungen diktieren zu können. Während sich andere Stahlnationen wie Japan und Korea mit den drei Grossen (Rio, BHP und Vale) schon Anfang Juni auf eine Preisreduktion von 33% geeinigt hatten, glaubte China, für die eigenen Stahlkocher eine Preissenkung um 45 – 50 Prozent durchsetzen zu können. Doch inzwischen hat der Wind des Marktes gedreht.
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Anfang Juni fanden in Shanghai deshalb neue Verhandlungen zwischen der Rio Tinto und der CISA statt. Die chinesischen Unterhändler hatten gemäss chinesischen Medienberichten ein geheimes Mandat mit einem nach unten begrenzten Spielraum. Dumm nur, dass der Mann am anderen Ende des Tisches, diese Schmerzgrenze offenbar kannte. Als die Chinesen diesen Umstand realisierten, haben sie die Verhandlungsdelegation des australischen Rohstoffmultis kurzerhand verhaftet. Der Vorwurf: Rio-Tinto-Chefunterhändler Stern Hu habe sich mit Schmiergeldzahlungen chinesische Staatsgeheimnisse angeeignet.
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Hintergrund interner Machtkampf in China
In China ist offenbar ein Machtkampf im Gang zwischen den nach mehr Unabhängigkeit strebenden Wirtschafts-Unternehmen und dem zentralistisch-dirigistischen Staatsapparat der Kommunistischen Partei. Eine ganze Reihe wichtiger Stahlbaufirmen wehren sich gegen das Diktat der CISA. Die (relativ) unabhängigen Stahlkocher wären bereit gewesen, den höheren Preis zu bezahlen, respektive eine Reduktion um nur 33 Prozent auf Eisenerz zu akzeptieren, den auch ihre wichtigsten Konkurrenten auf dem Weltmarkt bezahlen. Insbesondere die Unternehmen, die über eine eigene Importlizenz verfügen, haben unter anderem gute Geschäfte gemacht, indem sie einen Teil ihrer Importe teuer an Firmen weiterverkauften, die über keine Lizenz verfügen. Einige haben sogar Ende Juni unter Umgehung der CISA neue Verträge mit dem brasilianischen Eisenerzmulti Vale abgeschlossen.
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Eine der im Rahmen dieses Plans beschlossenen Firmenzusammenlegung hat diese Woche zu dem auch in der Schweiz gemeldeten Zwischenfalls in Tonghua mit Massenprotesten der Stahlarbeiter und dem Lynchmord an einem Manager geführt. Um die Gemüter etwas zu beruhigen hat die Zentralmacht im Fall von Tonghua inzwischen nachgegeben. Vorübergehend, wie Experten befürchten. China versucht damit Zeit zu gewinnen und den momentanen Druck, der aktuell wegen der Rio-Tinto-Affäre international auf China lastet, etwas abzumildern.
China krebst zurück unter Wahrung des Gesichts
China ist wegen der Rio Tinto-Affäre in den letzten Wochen international unter Druck geraten. "China sollte den Umstand beachten, dass dieser Fall Auswirkungen haben könnte auf die gesamte Internationale Wirtschaftsgemeinschaft, warnte der australische Wirtschaftsminister Stephen Smith schon Mitte Juni. "Pekings Spionage-Unterstellung schwächt das Vertrauen der Investoren", titelte die grosse australische Zeitung "The National" und die Brunei Times im neuen Wirtschaftszentrum am persischen Golf titelte: "Australien sagt, China gefährdet seinen Ruf als Business-Standort."
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Während sich die westlichen Medien besorgt und verärgert geben, mockiert sich Al-Jazeera: Das Chinageschäft sei schon immer ein "Risky Business" gewesen. Die westlichen Firmen hätten aber von den nicht immer rein marktwirtschaftlichen Verhältnissen in China profitiert. Alle kennen die Spielregeln und werden sich auch in Zukunft an diese sehr speziellen Regeln zu halten haben. Al-Jazeera zitiert den Direktor der Marktforschungsfirma "Acess Asia", Matthew Crabbe: "Das viele der fremden Business-Leute in China dazu neigen zu vergessen, dass sie in einem kommunistischen Land stationiert sind, ist verständlich: Sie sind geblendet von all den hellen Lichtern und den marmorgeschmückten Gebäuden."
Tatsächlich scheint jetzt China aber zu erkennen, dass der Schaden der Affäre grösser ist, als der Nutzen. So hat sie nicht nur gegenüber den Stahlarbeitern in Tonghua nachgegeben, sondern auch im "Stahlkrieg": Wie australische Medien berichten will China die Rio Tinto Leute nur noch in Sachen Schmiergeldzahlungen anklagen. Der Vorwurf der Spionage wird fallen gelassen. Als Gegenleistung ist Australien, respektive die Rio Tinto bereit, den Chinesen beim Preis für Eisenerz doch etwas entgegen zu kommen. Im Sinne einer Gesichtswahrung.
Doch der Schaden, den China mit der Tinto Affäre angerichtet hat, dürfte nachhaltig sein. Und das füht uns zurück zur Korruptionsgeschichte in Namibia:
Zahlt China den Preis für die Rio Tinto-Affäre in Namibia?
Die zeitliche Koinzidenz zwischen der Verhaftung des Rio-Tinto-Unterhändler in Shanghai und der Verhaftung der Nuctec-Leute in Namibia und des namibischen Armeechefs kann kein Zufall sein. Stratfor formuliert es vorsichtig: "Wenn da irgendwelche Fäden gezogen werden, dann ist die Rio Tinto der Puppenspieler."
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Doch der Schaden für China dürfte über die persönliche Desavouierung und Erpressung des chinesischen Staatspräsidenten hinausgehen. Die entscheidende Frage für den internationalen Rohstoffmarkt und die Geostrategie - dem Kampf um Einflusssphären - lautet:
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China ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Investoren in Namibia geworden. China hat 2007 vertraglich zugesichert, nicht nur grosse Mengen namibische Waren einzukaufen, sondern gewährt Namibia auch attraktive Kredite. Nicht zuletzt ist China auch in Namibia – genau wie in anderen afrikanischen Staaten - daran, die Infrastruktur (Strassen, Eisenbahn, Elektrizität) wieder aufzubauen. Es geht China dabei sowohl um kurzfristige Geschäfte, wie das Scanner-Beispiel zeigt, als auch um geostrategische Massnahmen: Die Ausdehnung seines „Einflussgebiets“, "die "Eroberung Afrikas".
Warum sollte Namibia, wegen vergleichsweiser Bagatellen wie die NUCTEC-Scanner-Geschichte oder der Anekdote mit dem geschmierten Armee-General die Hand beissen, die sie füttert?
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Die Affäre Rio-Tinto-China-Australien hat damit Auswirkungen auf den „Kampf um Afrika. Der Westen, wohl zuerst die USA, nutzen die chinesische Schwäche und ihre strategischen Fehler im Rohstoffbusiness, um sich eine Einflusssphäre in Afrika, die über strategisch eminent wichtige Rohstoffe verfügt, zurückzuholen, die ernsthaft gefährdet war.
... und der namibische General?
Es macht den Eindruck, dass General-Leutnant Martin Shalli nur zufällig im falschen Moment am falschen Ort war.
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Die lokalen Parteistrategen in Namibia nutzen also den aktuellen Kampf um Rohstoffmärkte und Einflussgebiet, dem Kampf der Grossmächte um die Weltvorherrschaft, um ihre lokalen, partei-internen Probleme zu lösen und ihre persönliche Macht zu vergrössern.
Was für eine wunderbare Geschichte!
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