Verrückte, globalisierte Welt: Es ist gut möglich, dass der wichtigste Teil der Südafrikanische Wirtschafts- und Sozialpolitik schon bald von der Schweiz, von einem kleinen Büro an der Bahnhofstrasse 2 in Zug, gesteuert wird. Das ist die Geschichte:
Im internationalen Rohstoffgeschäft gilt schon länger das Motto "fressen und/oder gefressen werden." Zur Zeit geht es allen im Business schlecht, weil die Rohstoffpreise wegen der Wirtschaftskrise im Keller sind. Alle Bergbauunternehmen sind von feindlichen Uebernahmen bedroht, (fast) alle sind aber gleichzeitig selbst Angreifer und bedrohen Konkurrenten.
Ein aktuelles Beispiel ist die britisch-schweizerische Xstrata mit Sitz in Zug.
Mit einer aggressiven Einkaufsstrategie hat "Big Mick", Mick Davis, der CEO des Zuger Multis, die Xstrata innerhalb von knapp 8 Jahren zur Nummer 4 im Milliardenmarkt Bergbau gemacht. Wichtigster Rohstoff der Xstrata ist heute die Kohle (früher Ferrochrom und Vanadium), aber mit den Einkäufen verfügt die Firma über eine strategisch starke Diversifizierung in Kupfer, Platin, Gold Kobalt, Zink, u.a.m..
Anlässlich der Präsentation des Halbjahresergebnisses 2009 letzte Woche (4. August) hat die Xstrata den folgenden Chart präsentiert und auf die Firmenhomepage gestellt: Die Umsatzstärksten Unternehmen im Welt-Minen-Geschäft. Zu beachten, die Marktposition der Xstrata nach der angestrebten Fusion mit der AngloAmerican:
Noch letztes Jahr drohte der Xstrata eine Uebernahme durch die brasilianische Vale, Nummer 2 im Weltmarkt. Das "Unfriendly Takeover" konnte nur dank der tatkräftigen - und nicht in allen Teilen koscheren - Unterstützung von Hauptaktionärin Glencore, abgewendet werden.
Jetzt greift Xstrata einen der traditionellen Top-Player im Bergbaubusiness an, die britisch-südafrikanische Anglo American. Anglo American (AAC) ist noch immer einer der grössten Rohstoffmultis der Welt, aber gleichzeitig eine Legende. Gegründet 1917 von Ernest Oppenheimer steht AAC für die Geschichte des klassischen Minenlandes Südafrika. Im Guten wie im Schlechten. Anglo American kontrolliert mit einer Aktienmehrheit auch den vielleicht noch etwas berühmteren Diamanten-Monopolisten DeBeers.
Ein Mega-Unternehmen gebaut auf Milliarden Schulden
Offiziell ist das Angebot, das Mick Davis der AAC Ende Juni unterbreitet hat, eine "Fusion unter Gleichen". Gleich sind nicht nur - in etwa - die aktuellen Umsätze der beiden Unternehmen, gleich gross - gigantisch gross - ist auch die aktuelle Verschuldung: Die Xstrata sitzt aktuell auf einem Schuldenberg von sage und schreibe 13 Milliarden Dollar, bei der AAC sind es "nur" 11 Milliarden.
Nichts kann aus meiner Sicht den kranken Zustand der Weltwirtschaft besser illustrieren als dieser Umstand, dass zwei total verschuldete Unternehmen zur Sicherung ihres Bestandes nicht zuerst einmal versuchen, ihre Schulden zu reduzieren, sondern im Gegenteil offenbar über Mittel verfügen, die es ihnen erlauben, maximal in die Offensive zu gehen und neue Milliardengeschäfte zu tätigen. Das ganze Business basiert zur Zeit auf Spekulation. Man hofft, dass die Rohstoffpreis bald wieder ansteigen und die Unternehmen wieder so satte Gewinne einfahren wie früher. Tatsächlich spricht da ja einiges dafür, allerdings kommt der Aufschwung nicht so schnell wie erhofft (Die aktuellen Zahlen 1. Hälfte 2009 gibt's hier). Immerhin bauen die Geldgeber im Bergbaugeschäft nicht nur auf virtuelle Werte wie im reinen Finanzbusiness. Die Bodenschätze sind reale Werte, die beim zu erwartenden Wirtschaftsaufschwung auch wirklich gebraucht und verkauft werden können - sei es Eisenerz, Gold, Kupfer, Uran oder Oel.
Mit dem Merger Xstrata/Anglo American würde ein Unternehmen mit einem Umsatz von rund 54 Milliarden US-Dollar entstehen (Zahlen Basis 2008), fast so gross wie die Welt Nummer 1 BHP Billiton. Die Fusion der australischen BHP mit der britischen Billiton 2001 hat gezeigt, dass so eine Elephantenhochzeit tatsächlich nicht nur grosse Synergieeffekte im Sinn von Ersparnissen beim Betrieb bringen kann, sondern auch eine krisenresistentere Position im Markt.
Politischer Widerstand
Trotzdem reagiert man in der Konzernzentrale in London und vor allem in Südafrika selbst sehr alarmiert auf die Offerte aus der Schweiz. Der Staat Südafrika ist nicht nur ein wichtiger Aktionär der Anglo, die AAC ist schlicht ein Teil von Südafrika, Teil seiner Identität und einer der wichtigsten Arbeitgeber. Anglo American und DeBeers sind so etwas wie die Kronjuwelen Südafrikas.
In den internationalen Medien sind denn auch verschiedentlich Kommentare zu lesen, dass der Deal nicht zustande kommen werde, weil die Südafrikanische Regierung ihr Veto einlegen werde. Ein absoluter Insider im Rohstoffbusiness betont gegenüber Contextlink, Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma engagiere sich persönlich: "Er übt grossen Druck auf die AAC aus, die Fusion zu vermeiden." "Allerdings", realisiere er nicht, "dass die AAC schon längst ihr ganzes Geld in London hat, wohin sie ihren Geschäftssitz vor 12 Jahren verlegt hat."
Diese Woche hat Mick Davis sein Angebot an die Anglo nocheinmal bestätigt und es ist ein offenes Geheimnis, dass es eine ganze Reihe von wichtigen AAC-Aktionären gibt, die ein Zusammengehen mit der Schweizer Xstrata sehr gerne sähen, nicht zuletzt, weil sie nach wie vor kein Vertrauen in die Anglo-Chefin Cynthia Carroll (im Bild links) haben. (Dahinter steckt auch eine spannende Geschichte über die Chancen und Schwierigkeiten einer Frau in der Top-Etage des internationalen Business, die ich in einem späteren Beitrag zu erzählen versuchen werde.)
Rohstoffmacht Schweiz
Es ist also sehr gut möglich, dass ein Unternehmen aus der rohstoffarmen Schweiz, bald das Sagen in einem Schlüsselbereich der südafrikanischen Wirtschaft hat. Gleichzeit würde aus der Provinzstadt Zug in der Schweiz das 2. grösste Bergbauunternehmen der Welt gesteuert.
Einer der ganz grossen Profiteure des Deals wäre eine andere Schweizer Firma, umsatzstärkstes Unternehmen der Schweiz (vor Nestlé und Novartis!) und grösster Rohstoffhändler der Welt: die Glencore mit Sitz ebenfalls in Zug (genau in Baar ZG).
Glencore ist mit 35% Aktienanteil nicht nur der grösste Teilhaber an der Xstrata, sondern ihr Verwaltungsratspräsident Willy R. Strothotte ist auch der oberste Boss der Xstrata. Die Xstrata ist eine Tochter der Glencore. In der Rohstoff- und Finanzwelt weiss man denn auch, dass der eigentliche Strippenzieher der andauernden Xstrata-Offensive - und ihre finanzielle Absicherung - die Glencore ist. (Dazu möchte ich aber eine separaten Contextlink-Beitrag verfassen.)
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