Sprache ist verräterisch, aber auch das kann täuschen.
"Ich krieg ein Bier", sagen auch meine meist ziemlich kultivierten deutschen Freunde, wenn sie in der Kneipe ein Bier bestellen. Wäre ich die Bedienung, würde ich wohl zurückfragen: "Sind sie sicher?" Denn tatsächlich kriegen wir ja nur ein Bier, wenn die Bedienung uns dieses Bier auch wirklich bringt. Doch ich habe in Deutschland noch nie eine Bedienung erlebt, die auf die für mich sehr arrogant wirkende Art der Bestellung meiner Freunde irgendwie irritiert oder gar verärgert reagiert hat. Im Gegenteil: Immer wieder erlebe ich das Bedienungspersonal in Deutschland als sehr freundlich. Nicht selten erhält man sogar zum Bier ein charmantes Lächeln.
"Entschuldigung, könnte ich bitte vielleicht ein kleines Bier haben?" In der Schweiz "bestelle" man kein Bier, sondern "ich bitte, flehe, bettle", mokiert und ärgert sich Ivo Marusczyk, Autor der "Zeit" und bis vor kurzem Wissenschaftsjournalist in der Schweiz.
Was Marusczy in seinem Artikel "Warum ich gehe" nicht schreibt, ist, dass man in der Schweiz sehr häufig trotz der überaus freundlichen Bestellung vom Servierpersonal herablassend, schlicht unfreundlich bedient werde. Auch ich habe in der Schweiz in der Beiz allzuhäufig das Gefühl, ich müsse dankbar sein, überhaupt etwas bestellen zu dürfen.
Tatsächlich überschätzen wir beide, Autor Marusczyk und ich, die Wirkung unserer Redensart. Nur für mich als Schweizer klingt das "Ich krieg ein Bier" unhöflich-arrogant. Es ist weder so gemeint, noch kommt es so an. Genausowenig empfinden wir unser "könnte ich vielleicht ein Bier haben" als unterwürfig. Oder kommt es vielleicht bei einem Teil des Servierpersonals so an: als indirekte Aufforderung zur Unverschämtheit, sei es Nichtbeachtung oder einfach Unfreundlichkeit?
Dann werde ich jetzt mal testen, ob ich künftig auch in der Schweiz für ein "I krieg a Schtange" häufiger auch noch ein freundliches Lächeln bekomme.
1 Kommentar:
Das erinnert mich daran, dass wir mal noch eins heben wollten. Vielleicht lässt es sich auf einen Feldversuch ausweiten - ich bestell auf Teutonisch, du bettelst nach helvetischer Manier, aber beim Zechprellen will ich Vorsprung.
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