Die Deutschen sind empört
Nein, nicht die Schweizer sind der Grund für die aktuelle Empörung der Deutschen. Da verkennen wir die Grössenverhältnisse, respektive wir projizieren unser Schweizer Problem auf die Deutschen. Die bei uns medial so erfolgreiche Schweiz-Deutschland-Story interessiert hier niemanden.
Die Empörung dreht sich um Opel, genau, um die Gerüchte, Fiat könnte Opel übernehmen.
Anders als die Schweizer haben die Deutschen echt das Gefühl, persönlich von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen zu sein, oder zumindest bald einmal davon betroffen zu werden. Sie sind auf Einiges gefasst, aber das, das ist ein Schock: „Jetzt haben wir die jahrelang durchgefüttert und jetzt kaufen uns die Italiener auf“ , empört sich der bisher freundliche Herr am Frühstückstisch in einem Landgasthof unweit der Autobahn im Raum Augsburg, wo ich spät nachts noch einen verschlafenen Wirt rausgeklingelt habe. Das Frühstück ist mehr als reichlich, in der Ecke der guten Gaststube läuft das „Frühstücksfernsehen“. Gewerkschafter und Politiker überbieten sich in noch mehr Empörung und versuchen ihr Entsetzen mit pseudo-marktwirtschaftliche Argumenten zu kaschieren. Die Italiener, die ehemaligen Gastarbeiter, kaufen Opel. Dass Opel schon längst General Motors gehört, „ist etwas anderes,“ wie mein zufälliger Frühstückspartner klarstellt. Okay, es sei auch ein Fehler gewesen, sich mit „den Amis“ zusammenzutun: „Jetzt ziehen die uns mit runter, nicht nur bei Opel.“ Aber die Italiener, Opel: Undenkbar.
Was mein neuer Bekannter nicht sagt, ich ihm aber unterstelle zu denken, ist: Noch undenkbarer wären nur noch die Türken.
Natürlich ist es kein Zufall, dass auch hier in Deutschland die national-konservativen, z.B. die „Republikaner“ die Chance wittern, „dem Volk“ nach dem Mund zu reden: "Raus aus diesem Europa."
Die Schweiz? Nein, die Schweiz ist kein Thema, weder bei meinem Tischnachbarn noch bei meinen Freunden. Doch, doch, von irgendwelchen Schweiz-kritischen Äusserungen von Aussenminister Steinbrück gegenüber der Schweiz haben sie gehört, aber: „Das ist doch bloss Wahlkampf“ und: „Der wird sowieso nicht mehr gewählt.
Allerdings ist die Schweiz für fast alle Deutschen, die ich antreffe, sofort ein Thema, wenn sie mich als Schweizer wahrnehmen. Praktisch alle haben das Bedürfnis, mir gegenüber ihre positive Wahrnehmung der Schweiz kund zu tun.
Die Schweizer müssen zur Kenntnis nehmen, das die Problematik Schweiz – Deutschland oder Schweizer – Deutsche sehr einseitig und sehr schweiz-zentristisch provinziell ist: Viele bewundern die Schweiz geradezu, fast müsste man sagen: Die Deutschen lieben die Schweiz.
Das macht es für die Schweizer natürlich nicht einfacher. Ein Feind, der einen nicht ernst nimmt oder zumindest nicht in der Bedeutung wahrnimmt, die ich mir selbst zuordne, ist nur noch hassenswerter. Diese schlimme Erfahrung haben wir schon mit den Nachbarskindern im Sandkasten hinter dem Haus machen müssen.
Dabei sind es bei den Deutschen nicht etwa nur die üblichen Stereotypen der Schweiz, die Berge, die Ordnung, etc. Gegenstand ihrer positiv-Kritik: Es gibt kaum jemanden, der nicht zumindest Verständnis dafür hat - und mir das auch unbedingt mitgeben möchte -, dass „ihr Schweizer nicht in der EU seid“. Bei den Meisten klingt das fast wie eine Hochachtung. Auch die Kritischeren scheinen nicht zu bemerken, dass sie damit genau auf der Linie der Rechtsaussen mit ihrer anti-EU-Parole liegen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen