Der Gassstreit zwischen Russland und der Ukraine um die Jahreswende hat in aller Deutlichkeit gezeigt, wie abhängig Europa von den Lieferungen aus Russland ist. Und zwar nicht nur in den Gebieten Osteuropas, die über Weihnachten schlicht gefroren haben, weil die Russen den Gashahn zugedreht haben.
Diese Abhängigkeit - und damit verbunden auch die politische Erpressbarkeit - ist den Europäern schon länger bewusst. Seit 2002 setzten sie deshalb ihre ganze Hoffnung auf "Nabucco". Das unter österreichischem Management geführte Gross-Projekt sah vor, eine Gas-Pipeline aus Turkmenistan durch das kaspische Meer nach Aserbeidschan und die Türkei zu führen - unter Umgehung Russlands.
Karte: Budapest Business Journal
Nabucco zuerst abgeschrieben, jetzt neu lanciert
Doch eine Vielzahl von Konkurrenzprojekten und vorallem eine grosse Unsicherheit, wer überhaupt wieviel Gas liefern würde, hat das Projekt immer wieder stocken lassen. Als sich Turkmenistan, auf dessen Gasreserven Nabucco gesetzt hatte, letztes Jahr definitiv gegen eine Partnerschaft mit Europa entschied und einen fast exklusiven Vertrag mit der russischen Gazprom abgeschlossen hat, wurde das Projekt Nabucco von den meisten Experten abgeschrieben.
Doch seit ein paar Tagen sieht es für Nabucco wieder besser aus. Offenbar ist man in Brüssel (und in Washington) angesichts der jüngsten Gaskrise mit Russland nocheinmal über die Bücher gegangen. Und plötzlich setzen die Europäer mit Unterstützung der Amerikaner wieder alles daran, das Projekt doch noch zu retten (hier die Stratfor Analyse) (und ein ausführlicher Hintergrund von "Silkroadpapers" findet sich hier).
Die Rolle der Türkei
Kurz hat die Türkei Mitte Januar dazwischen gefunkt und nocheindmal demonstriert, welche Schlüsselrolle sie in der Energieversorgung Europas als Energie-Hub künftig spielen wird. Präsident Erdogan hat zur Unterstreichung des türkischen Anspruchs auf eine baldige Mitgliedschaft in der EU damit gedroht, ihre Haltung in Sachen Nabucco zu überdenken, falls nicht bald positive Zeichen aus Brüssel kämen - nur um am vergangenen Sonntag (15. Februar) seine volle Unterstützung zuzusichern. Das hat niemanden gewundert. Zu gross sind die Eigeninteressen der Türkei am Projekt - sowohl strategisch als auch nicht zuletzt finanziell. Denn inzwischen scheint das Projekt Nabucco wieder auf besserem Weg: Die Europäische Investitionsbank hat zugesichert, die fehlenden 7,9 Milliarden zur Finanzierung der Pipeline vom kaspischen Meer bis Oesterreich zu übernehmen.
Iran als Retter?
Vor allem aber hat Europa inzwischen andere Gas-Lieferanten für Nabucco als Turkmenistan im Visier: In erster Linie den Iran - und weitere arabische Staaten inklusive Irak und Aegypten. Schon im vergangene Sommer hatte sich Iran als Alternative angeboten (inkl. ein spannender Gazprom-Hintergrund). Dieses Angebot hat der Iran jetzt eben erneuert.
Und die Schweiz mischt mit. Letzten März hat die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) mit der National Iranian Gas Export Company (Nigec) einen Vertrag über künftige Gaslieferungen geschlossen (sie erinnern sich an die Kopftuchäffäre von Bundesrätin Calmy-Rey).
Doch es gibt Zweifel, ob der Iran überhaupt fähig ist, bald grössere Mengen Gas zu liefern. Aufgrund der wirtschaftlichen Isolierung hat Iran bisher darauf verzichtet, grosse Investitionen in die Ausbeutung seiner grossen Gasreserven zu machen und ist heute selbst (noch) ein Netto-Gas-Importeur.
Doch Iran könnte/würde die Lösung heissen. Iran wäre bereit zu investieren und wäre fähig bis 2013, dem geplanten Start von Nabucco Gas zu liefern.
Und damit ist das Gas für Europa der zweite wichtige Punkt (neben Afghanistan), warum die USA wohl in Sachen Iran-Politik über die Bücher gehen werden. Der wachsende Druck der Europäer auf die USA hilft. Es darf die Prognose gewagt werden: Der Friede mit Iran kommt. Welcome back, Iran.
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