Natürlich verfolge ich intensiv den Krieg in Gaza. Vieles kommt hoch. Ich krame alte Bücher zum Thema hervor, lese alte Texte, die ich selbst geschrieben habe, suche Neues im Internet. Und da finde ich eine Doku-Serie auf Al-Jazeera: "On war", "über den Krieg", von einem (relativ jungen, amerikanischen) Reporter Josh Rushing. Von einem solchen Auftrag habe ich manchmal geträumt, doch so etwas würde das Schweizer Fernsehen nie in Auftrag geben. Vielleicht zu recht, denn wer will sich so etwas vom Sofa aus ansehen. Wer ist schon bereit, sich darauf einzulassen. Es ist kein Vergnügen, weil man sich auch Gedanken über sich selbst machen muss.
Aber ich finde, es ist dringend nötig. Möglichst viele Leute, sollten sich damit auseinandersetzen müssen, es wäre die beste Friedensförderung. Vielleicht aber ist es einfach eine Ueberforderung.
Der erste Teil der Serie "On war" mit dem Titel "My Class of 2000" wurde Mitte Dezember ausgestrahlt. Josh Rushing hat im Herbst 2000 seine Ausbildung in der US-Armee bei den "legendären" "Marines" abgeschlossen. Er ist anschliessend aus der Armee ausgetreten, anders als die meisten seiner Kollegen. Jetzt hat er fünf seiner alten Kameraden porträtiert, allesamt sind sie heute Irak-Veteranen. Dieser erste Teil der Serie hat mich wenig berührt. Ich fand ihn relativ oberflächlich. Immerhin gibt er dem Krieg im Irak ein menschliches Gesicht.
Wirklich geschüttelt hat mich aber der 2. Teil, der heute Abend zwischen zwei Newssendungen von Al-Jazeera aus Gaza gesendet wurde: Josh Rushing ist nach My Lai gereist, an den wohl berühmt-berüchtigten Ort in Vietnam, wo amerikanische GIs 1967 ein Massaker an wehrlosen Bauern angerichtet haben. Die Berichterstattung darüber hat damals die Welt erschüttert. Rushing hat dort in My Lai Überlebende getroffen .... und erstmals einen der GI-Täter dorthin gebracht. Erschütternd in vielfacher Beziehung, hochaktuell:
Fortsetzung:
Viele Israelis, jedenfalls fast alle Offiziere, die jetzt im Gazastrip einmarschieren mussten, haben Kriegserfahrung (Libanon 2006 und/oder früher). Sie wüssten mit Sicherheit, wovon die Alten (die Opfer UND die Täter) in My Lai in diesem Film sprechen. Vom Sterben, aber vor allem auch vom Töten.
Und vielleicht ist dieses Wissen der Grund, warum die Iraelis heute Sonntagabend, 4. Januar 2008, zögern, ins Stadtzentrum von Gaza vorzurücken. Dort wird der Krieg zum Häuserkampf. Die Soldaten wissen, dort lauert nicht nur die Gefahr für jeden einzelnen, selbst getötet zu werden, sondern nicht zu letzt auch die Gefahr, selbst zu töten.
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