"Europas Regierungschefs denken an die Finanzkrise. Doch ihre Gedanken sollten bei den Armen der Welt sein", fordert der ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi-Annan heute in einem Artikel des "Tagesspiegel".
"Die Hungerkrise ist viel schlimmer als die Finanzkrise", klagte die Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble gestern anlässlich des Welternährungstages (16. Oktober).
Heute sind 13'000 Kinder auf dieser Erde an Hunger gestorben, morgen werden es wieder 13'000 sein.
Nächstes Jahr werden sage und schreibe 1 Milliarde Menschen, 1'000'000'000, Hunger leiden. Die Bevölkerung der gesamten Schweiz mal 130. Das sind die neusten Zahlen der UNO.
Insgesamt 4613 Milliarden Franken (ohne die 67 Milliarden der Schweiz für die UBS) pumpen die Regierungen der (westlichen) Welt zur Rettung in ihre Banken. Nicht einmal ein Hundertstel, gemäss UNO zwischen 25 und 40 Milliarden US Dollar, wären nötig, um die Welthungerkrise zu überwinden.
Die Hälfte des Geldes, das ein einziges Land, die Schweiz, zur Stützung einer einzigen Bank, die UBS, auszugeben bereit ist, würde reichen, dass niemand auf dieser Welt mehr Hunger leiden müsste.
Tausende Milliarden an Steuergeldern stützen ein Finanzsystem, das in den letzten Jahren auch mit Spekulation im Rohstoff und Nahrungsmittelbereich nicht nur Unsummen verdient hat, sondern aktiv dazu beigetragen hat, dass sich die Hungerkrise in den letzten Jahren verstärkt, statt wie mit den Milleniumszielen abgemacht, abgeschwächt hat.
Schon seit Mitte der achtziger Jahre lebt die Menschheit ökologisch auf Pump - sie verbraucht mehr Ressourcen, als die Erde regenieren kann. Das Footprint Network errechnet jedes Jahr den World Overshoot Day, den Tag also, an dem wir als Ressourcenschuldner des Planeten einmal mehr Kredit aufnehmen. Dieses Jahr war's der 23. September, wir sind also längst wieder im roten Bereich und haben unser Konto schon jetzt um 30 Prozent überzogen.
Die Spekulationen der Finanz- und Rohstoffmärkte haben dazu geführt, dass sich die Nahrungsmittelpreise massiv erhöht haben. Und dies trifft zuerst die Ärmsten, welche einen Grossteil ihres Geldes für die Beschaffung von Nahrungsmitteln aufwenden müssen.
Schlimmer noch: Die Finanzkrise verschärft die Hungerkrise weiter.
Einerseits ist davon auszugehen, dass die reichen Länder jetzt noch weniger Geld für die Dritte Welt ausgeben werden. Sie werden ihre heimischen Agrarmärkte noch aktiver schützen und mit Milliardensubventionen stützen. Andrerseits werden sich wegen der steigenden Rohstoffpreise nicht nur die Nahrungsmittel weiter verteuern, sondern auch deren Produktion in den armen Ländern. Bauern in der Dritten Welt werden es sich z.B. nicht mehr leisten können, Benzin für landwirtschaftliche Geräte oder für Bewässerungspumpen zu kaufen.
Die Finanzkrise verstärkt den Trend, der schon in den letzten Jahren zu beobachte war:
Während die Entwicklungshilfe zurück ging, schnellten die Lebensmittelpreise in die Höhe. Innerhalb von 14 Monaten ist etwa der Preis für Reis in Bangladesch um 66 Prozent gestiegen. Im Senegal hat sich der Weizenpreis verdoppelt, in Somalia sogar vervierfacht.
Eine Studie der britischen Entwicklungsorganisation Oxfam belegt, dass die Profite aus den Preissteigerungen der letzten Monate ausschließlich an wenige internationale Lebensmittelkonzerne und Supermarktketten gegangen sind. So hat Nestlé seinen weltweiten Umsatz im ersten Halbjahr 2008 um neun Prozent gesteigert. Die englische Supermarktkette Tesco verzeichnete ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Rekordgewinne gingen an den weltgrößten Saatgut-Hersteller Monsanto: Mit 3,6 Milliarden US-Dollar stiegen die Gewinne bereits im ersten Quartal um 26 Prozent.
Auf der Welternährungs-Konferenz in Rom hatten die Industrieländer noch im Juni dieses Jahres 12,3 Milliarden US-Dollar für die Hungerhilfe versprochen - bisher wurde lediglich eine Milliarde gezahlt. Viereinhalb Tausend mal weniger als jetzt die Banken erhalten sollen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen