Sonntag, 7. September 2008

Schwingen: Swissness pur. Professionell, fremd.

"Stucki, Christian gewinnt das Kilchberg-Schwinget".

Es sind imponierende Typen dieses Schwinger. Stucki z.B.: 2 Meter gross, 140 Kilo schwer. Ihre sportliche Leistung ist erstklassig. Schwingen ist längst nicht einfach nur ein Hobby für ein paar Aelpler, sondern Leistungssport.

Genauso imponierend sind die Anlässe der Schwinger. Keine Spur von hinterwäldlerisch-amateurhaft. Im Gegenteil: Ein grosses Schwingfest setzt Standards, an denen sich viele andere Sportgrossereignisse orientieren sollten.

Ein Schwingfest ist heute ein perfekt organisierter Event mitten im Marketing-Mainstream: Die perfekte Inszenierung der Bodenständigkeit, Swissness pur. Das verkauft sich hervorragend. Beim Publikum und bei den Sponsoren.

Dahinter steckt ein schlaues Management. Es kann noch immer auf den (Gratis-) Einsatz eines ganzen Heers von Freiwilligen zählen, ohne die insbesondere die Riesenlogistik kaum zu bewältigen und vorallem kaum zu bezahlen wäre. Besonders geschickt: das Marketing. Es gibt in der zentralen Schwing-Arena keine Werbung. Das Produkt "Schwingen" wird rar gemacht, exklusiv. Das Gut "Werbung mit Schwingen" wird klein gehalten: Nur eine kleine Anzahl, sorgsam ausgewählte Sponsoren wird zugelassen.
Dasselbe System der Exklusivität gilt beim Kilchbergschwinget auch für die Zuschauerplätze. Am "Ereignis" teilnehmen können nur geladene Gäste.

Und das Wettkampfsystem eines Schwingfestes, die Folge der einzelnen "Gänge", ist so ausgeklügelt, dass die Fans - anders als zum Beispiel im Tennis - von ersten Kampf am frühen Morgen an immer spektakuläre Gänge zu sehen bekommen. Es kämpft immer die Nummer eins der "Setztenliste" gegen die Nummer zwei, die Drei gegen die Vier, usw.. Nach jeder Runde gibt's eine aktuelle Punkterangliste, gemäss der wieder nach dem System 1 gegen 2, etc. gekämpft wird. Ein Star kann sich so auch einmal eine Niederlage leisten und geht dem Anlass nicht verloren. Mit der Anzahl der Kämpfe trennt sich so langsam die Spreu vom Weizen und im krönenden Schlussgang stehen sich mit grösster Wahrscheinlichkeit zwei Stars gegenüber.

Die "Helden", auch kokettierend "die Bösen" genannt, sind die inszenierte Sauberkeit: Landburschen, richtige Mannen, aufrecht, stämmig, immer fair. Keine Werbung verunstaltet die Athleten als Plakatsäulen.

Mein Respekt: Ein grosses Schwingfest ist ein Top-Anlass.

Aber:
Die inszenierte Swissness wirkt auf mich mit jedem Anlass noch befremdlicher, fast aufdringlich. Reflexartig empfinde ich das Ganze als eine Werbeveranstaltung der SVP. Die Begeisterung in den Medien für die Schwingfeste und die Werbung der Gross-Sponsoren mit dem Schwingen empfinde ich schon fast als Nötigung: man versucht mir eine Schweiz reinzudrücken, mit der ich einfach nichts anzufangen weiss.

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