Freitag, 5. September 2008
Das Ende der amerikanischen Vorherrschaft
Die "Zeit" öffnet mal wieder den Blick. Besonders spannend, wenn dabei eine andere Sicht, eine nicht-westliche Sicht auf die Welt, ins Blickfeld gerückt wird. Es sind zwei indischstämmige Politologen/Publizisten, die eine Ende der Vorherrschaft Amerikas prognostizieren:
»Goodbye, America« – so lautet der bittere Refrain von Fareed Zakaria, dem in Bombay geborenen Politikwissenschaftler und Chefredakteur von Newsweek International. In seinem neune Buch "The Post-American World beschreibt er den »Aufstieg der Anderen«, den Aufstieg Asiens, genauer Chinas und Indiens.
Parag Khanna, Experte für Geopolitik bei der New America Foundation beschreibt ebenfalls das Ende der US-Vorherrschaft. In seinem Buch Der Kampf um die Zweite Welt (Berlin Verlag) tritt Amerika als gerupfter Riese auf, als gelähmte, von einem entfesselten Kapitalismus verunsicherte, im Irakkrieg blamierte Supermacht, die nun im Schmollwinkel der Weltgeschichte hockt und ihren Machtverlust noch gar nicht begriffen hat.
Khanna sieht die Welt künftig von drei Machtsphären beherrscht: von den Vereinigten Staaten, von China und, man staune, von der Europäischen Union.
Russland, welches zur Zeit mit einigem Getöse wieder versucht, ein entscheidender Player zu werden, ist für Khanna eine "aussterbende Nation". Russland gehöre künftig zur "Zweiten Welt", welche zwischen den drei »Imperien« USA, China und Europa liege, zum Beispiel in Osteuropa, dem Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika.In dieser Zweiten Welt tobe der Kampf um Einflusszonen, und hier entscheide sich, wie viel Macht die geopolitischen Machtsphären in die Waagschale werfen können.
Europa als Vermittler zwischen den neuen Machtpolen Asien und Amerika:
Den Schlüssel zum Frieden halten gemäss Khanna die Diplomaten der Europäischen Union in der Hand, denn Brüssel komme eine Mittlerrolle zwischen den asiatischen Angreifern und der amerikanischen Supermacht zu. In Khannas romantischem Blick besitzt die EU genügend Einfluss, um sicherzustellen, dass der Aufstieg Chinas und anderer Mächte friedlich abläuft.
Doppelt spannend, dass der amerikanisch-indische Intellektuelle Khanna die Zukunft Europas auch in der Einbindung des Mittelmeerraums sieht. Wenn Europa auch noch ein "postmodernes römisches Reich" gründe und die Maghrebstaaten integriere, werde es endgültig zum »Gentle Civilizer« einer Weltgesellschaft, in der jeder brutal die Pläne des anderen durchkreuzen könne. Das ist das "Mare Nostrum", welches EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy zur Zeit mit seiner Union für das Mittelmeer anstrebt.
Wenn es gut gehe, würden sich unter europäischem Einfluss die besonnenen Köpfe durchsetzen und ihre wichtigsten Probleme gemeinsam lösen, als da wären: Terrorismus, Klimawandel, Armut und die Verteilung der Rohstoffe.
Doch Khanna befürchtet eine unsichere Weltzukunft. Er zeichnet das Bild einer fluiden, unberechenbaren und zerklüfteten Weltgesellschaft, in der reizbare Allianzen – die ständig wechselnden »Koalitionen der Willigen« – um drei Machtpole kreisen, die selbst wiederum um Vorherrschaft ringen. Dieses planetarische Gebilde sieht dem »Autoritäts-Durcheinander des Mittelalters ähnlicher als einem neuen Kalten Krieg mit klaren Fronten«.
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