Sonntag, 27. Juli 2008

Der Blocher der alten Eidgenossen

Einer der edlen Ritter auf dem Bild aus dem "Codex Manesse" ist Werner von Homberg.
Sie kennen ihn nicht? Schande über Sie und über Ihren Geschichtslehrer.

Nicht nur, weil Werner von Homberg so wichtig war für seine Zeit, die Zeit aus der unsere Landesväter im 19. Jahrhundert den Gründungs-Mythos der Schweiz mit ihrem wehrhaften Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung erfunden haben , sondern weil sich mit seiner Figur auch wunderbare Parallelen zu unserem aktuellen "Helden der freien Schweiz" basteln lassen:

Zu Christoph Bocher.

Werner von Homberg ist definitiv eine der wichtigsten Figuren der Geschichte des Raums Zürichsee - Vierwaldstättersee des frühen 13. Jahrhunderts: Er war der Graf von Rapperswil, Stiefsohn von Rudolf von Habsburg-Laufenburg und seit 1309 Reichsvogt der Waldstätte, also des Gebiets, das man später als "Urschweiz"betitelt hat.

Dass der ganze Mythos um die alten Eidgenossen und all die Geschichten um Willy Tell, das Rütli oder Morgarten nicht viel mit den realen Geschehnissen der Zeit gemein haben, haben inzwischen wohl auch die hartgesottensten SVP-ler zur Kenntnis nehmen müssen.
Jetzt fügt das neue Buch des Historikers Roger Sablonier, Professor für Schweizer Geschichte an der Uni Zürich: "Gründungszeit ohne Eidgenossen" (rezensiert in der NZZ am Sonntag vom 28.Juli 2008) neue, spannende Fakten bei:

Hintergrund der Geschehnisse in den Waldstätten zu Beginn des 14. Jahrhunderts war ein Wandel der Herrschaftsverhältnisse. "Die alten Führungseliten mussten sich gegen neue territoriale Ansprüche von aussen, so der Habsburger, zur Wehr setzen. Zentral war etwa der Erbstreit um die alte Rapperswiler Herrschaft, die damals bis weit in die Innerschweizer Gebiete hineinreichte. In diesem Streit suchten sich die Habsburger Rechte der ehemaligen Grafen von Rapperswil anzueignen, wogegen sich insbesondere der Rapperswiler Erbe
Werner von Homberg im Verein mit Zürchern und Schwyzern zur
Wehr setzte." (Zitate gemäss NZZ am Sonntag).

Wirklich spannend die nüchterne Betrachtung der Schlacht an Morgarten und wunderbar amüsant die neue Deutung:

Die "wackeren Eidgenossen" haben die schlecht vorbereiteten Ritter im Zuge des habsburgischen Herzogs Leopold nicht in Selbstverteidigung  angegriffen. Sie waren ein Instrument Werner von Hombergs, der sie für Verteidigung seiner privaten territorialen Ansprüche nutzte.
Er kannte die Schwyzer Haudegen: Sie hatte schon in Italien als Söldner in seinem Dienst gestanden, wobei sie auch die Taktik gelernt hatten, die sie dann bei Morgarten so erfolgreich angewendet haben.
Die Schwyzer haben sich bei Morgarten von Werner erneut gern einspannen lassen, nicht zuletzt wegen der Aussicht auf fette Beute, "schliesslich zeigte sich in ihrem Gebiet nicht alle Tage ein reiches adliges Gefolge".

Und da scheinen mir die Parallelen von Werner von Homburg und Christoph Blocher doch in die Augen springend:
Ein hoher Herr mit Villa am Zürichsee nutzt zu kurz gekommene, aber um so kampfeslustigere Hinterwäldler zur Durchsetzung seiner eigenen Machtinteressen, lässt sie aber grosszügig an der Beute teilhaben.

Und wenn es schon "keine direkte Linie von 1300 bis .... zum Bundesstaat im 19. Jahrhundert» gibt, wie uns die Historiker lehren, so ist zumindest der Geist und Cleverness der Obrigkeit derselbe geblieben.

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