Samstag, 26. November 2011

Afrikaner glauben an biblischen Fluch

Giovanni Bellini "Der betrunkene Noah"
Im Rahmen unseres Drehs zum Dokfilm-Projekt "Kreuzzug" in Niger und Burkina Faso führen wir abseits der Kamera viele spannende, persönliche Gespräche mit den Leuten des Teams der Healing Jesus Crusade. Es sind häufig gut ausgebildete, aufgestellte junge Afrikaner (so um die 30/40), selbstverständlich alle streng religiös und Bibel-(Wort-)gläubig. 
Dabei hören wir schier Unglaubliches:

Als Erklärung für die Unterentwicklung und das anhaltende Elend Afrikas verweisen sie auf die Geschichte Hams, des jünsten Sohnes von Noah: "Wir Afrikaner zahlen noch immer den Preis für die Sünde Hams." Afrika und seine Bevölkerung würden immer noch von Gott bestraft für die Sünde "ihres Urahnen" Ham, der den Pimmel seines Vaters gesehen hatte, als dieser stockbetrunken und „unverhüllt“ darniederlag.

Healing Jesus Crusade 2011 (Bild: Contextlink)
Diese jungen, modernen Afrikaner glauben tatsächlich die rassistische Rechtfertigungsgeschichte der muslimischen und christlichen Sklavenhändler und insbesondere der frommen amerikanischenSklavenhalter im 17., 18. und 19. Jahrhundert.

Die Geschichte, auf die sie sich beziehen, steht in der Genesis 9: 20-27. Ihre Lesart ist zuerst einmal inhaltlich ungenau, weil es nicht Gott, sondern Noah war, der den Fluch aussprach. Und er verfluchte auch nicht Ham, sondern "nur" dessen Sohn Kanaan: „Du sollst der Knecht  deiner Brüder sein.“ Ham gilt zwar in der biblischen Genealogie als Stammvater der Bevölkerung Afrikas. Aber nicht über die Linie seines Sohnes Kanaan, sondern über dessen Bruder Kush ("der Nubier").

Vor allem aber: Längst hat die Religionsgeschichte die Interpretation des Bibeltextes, die wir jetzt von jungen, modernen Afrikaner wieder hören, als Propaganda der Kolonialisten und Sklavenhalter entlarvt.

Healing Jesus Crusade Brukina Faso 2011
Logisch wäre für mich, dass die Afrikaner diese Religion, von der sie glauben, dass sie sie verflucht hat, weit von sich weisen. Aber das Gegenteil ist der Fall: „Das Christentum ist die Lösung für Afrika,“ sagen unsere jungen Freunde von der Healing Jesus Crusade und arbeiten täglich an der Verbreitung Glaubens, den einst die Missionare aus Europa nach Afrika gebracht haben.

Tatsächlich „explodieren“ die christlichen-fundamentalistischen Kirchen in Afrika seit einigen Jahren geradezu. Sie erhalten massenhaft Zulauf von „Wiedergeborenen Christen“, die Halt und nach praktischen Lösungen für ihre existenziellen Probleme suchen. 

Längst ist das Christentum keine Religion des weissen, reichen Westen/Nordens mehr, sondern eine Religion des Südens, wie Philip Jenkins in seinem Buch „The Next Christendom“ (deutsch bei Amazon) nicht nur statistisch, sondern auch inhaltlich nachweist. 

Healing Jesus Crusade Burkina Faso
Jenkins rechnet die aktuellen Zahlen der Religionszugehörigkeit hoch und prognostiziert, dass 2050 nur noch ein Fünftel der Christen nicht Afrikaner, Lateinamerikaner oder Asiaten sein werden. Weltweit wachsen vor allem die fundamentalen christlichen Kirchen. (Pfingstgemeinden oder charismatische Kirchen) häufig auch auf Kosten traditioneller christlicher Kirchen.

Die jungen Mitarbeiter Healing Jesus Crusade sind überzeugt, dass das Christentum die Werte in den afrikanischen Gesellschaften durchsetzen wird, die für künftigen Fortschritt und
Wohlstand verantwortlich sind: Disziplin, Ordnung, Fleiss. Es sind die klassischen protestantischen Werte, die auch (national-)konservative Kreise in Europa und den USA propagieren. (Eine andere Gemeinsamkeit ist die Verurteilung der Homosexualität als "unnatürlich").

Die modernen, jungen Afrikaner sehen ihr Heil in den Werten ihrer Kolonisatoren.

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