Sonntag, 15. November 2009

Gesucht: Eine Vision, eine Perspektive für die Schweiz


Es ist ein Anfang, zu erkennen und uns einzugestehen, dass die Schweiz in einer Identitätskrise steckt. Entscheidend aber ist, ein Lösung, einen Weg aus dieser Krise zu finden.

Die Alten Eidgenossen haben ausgedient
Als erstes braucht die Schweiz eine Vision, eine Perspektive. Sie muss vorwärts blicken. Das bisherige Selbstverständnis der Schweiz war ausschliesslich rückwärtsgewandt und defensiv. Die Staatsgründer der modernen Schweiz haben in der Zeit um 1848 gemäss der geltenden romantischen Überzeugung, ein Staat brauche eine eigene Mythologie, eine ebenso romantische wie falsche Geschichte erfunden. Bäuerisch-ländlich, alpin. Die alten Eidgenossen, die Tells, die Winkelrieds und die Melchtals sollten unsere Vorbilder sein. Knorrige Bergler, freiheitsliebend, basis-demokratisch, die sich heldenhaft und erfolgreich gegen Bedrohungen von aussen behaupteten. Die Inkarnation dieser Mythologie, die perfekte Umsetzung dieser Haltung und maximal identitätsstiftend für viele Schweizer bis heute: das Reduit im 2. Welt: Das Konzept des Rückzugs der Schweiz in die "Alpenfestung".

Schluss mit der autistischen Mentalität
Parallel dazu hat sich eine schon fast autistische, nach innen gerichtete Mentalität entwickelt: "Wir fahren am besten, wenn wir nur auf uns selbst schauen." Eine defensive Haltung des Bewahrens, des Verteidigens. Damit verbunden war immer mehr auch eine Ausgrenzung alles Fremden.

Die Geschichte des letzte Jahrhunderts hat diese Haltung in der "Praxis" scheinbar bestätigt: Die Schweiz konnte sich aus den beiden verheerenden europäischen Konflikten des letzten Jahrhunderts, den beiden "Weltkriegen", heraushalten. Sie konnte unversehrt, mit einem gewaltigen materiellen Vorsprung in die fantastische wirtschaftliche Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starten. Das Abseits-Stehen, das "neutrale" sich "Nicht-Einmischen" hatte sich ganz offensichtlich gelohnt. Jahrzehntelang ging es schlicht niemandem auf dieser Welt besser als uns Schweizern.

Doch jetzt, mit der Wirtschaftskrise, ist dieses Selbstverständnis plötzlich erschüttert. Jetzt kommen Zweifel. Mehr: Die Angst geht um, die Angst, dass wir bald zu den Verlierern gehören. Plötzlich erkennen wir unsere Abhängigkeit, unser Fremdbestimmtsein in einer vernetzten, globalisierten Welt. Wir können nicht darüber abstimmen, ob die Börsenkurse an der Wallstreet fallen oder steigen. Aber ganz offensichtlich hängt davon unser Wohlergehen ab.

Bald werden wir auch erkennen, dass die Geschichten, die man uns erzählt hat und die wir gerne geglaubt haben, nicht nur falsch sind, sondern auch untauglich für die Zukunft. Nein, wir brauchen keine neue Mythologie. Wir wissen, das verklärt-nostalgische Rückwärtsschauen hilft nicht. Wir müsse uns für die Zukunft öffnen. Die Schweiz braucht eine Vision, eine Perspektive wohin die Reise geht.

Ehrlich nach vorne blicken
2048 wird der Staat Schweiz 200 Jahre alt sein, wenn es ihn dann noch gibt. Dieses historische Datum scheint mir ein guter Orientierungspunkt, ein greifbarer Meilenstein. Wir sollten möglichst sofort einen Prozess unter Mitwirkung aller Menschen, die in der Schweiz leben, einleiten, in dem wir eine gemeinsame Vision entwickeln und einen Weg festlegen, wie die Schweiz im Jahre 2048 sein soll.

Dabei brauchen wir uns gar nicht zu verbiegen. Noch funktionieren unsere demokratischen Instrumente. Die Schweiz ist klein und übersichtlich und insbesondere unsere Wirtschaft ist hochentwickelt und erstklassig international vernetzt. Nicht einmal die reale Politik müssen wir verändern. Denn längst ist erwiesen, dass sich die Mächtigen dieses Landes in Politik und Wirtschaft nicht an das gehalten haben, was sie uns immer erzählt haben. Zu unserem grossen Glück. Sie haben sich keineswegs nur nach innen orientiert, sich eingeigelt und gegen aussen abgegrenzt. Im Gegenteil. Die Stärke der Schweiz war und ist die Vernetzung. Und der Opportunismus. Wenn unsere Geschichte der letzten 150 Jahre etwas auszeichnet, dann diese Fähigkeit, sich anzupassen an die reale Situation, unsere Fähigkeit uns zu verbandeln, im richtigen Moment die richtigen Allianzen zu schmieden, es aber mit niemandem zu verderben und immer die Kunst zu pflegen, die süssesten Rosinen herauszupicken.

Wir sollten jetzt aber auch ideologisch dazustehen und gemeinsam Bedingungen schaffen, die uns die weitere flexible Anpassung an die globabilisierte Welt erlauben.

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