
Shonda Warner ist ein Produkt der Wallstreet. Die 45-Jährige ist die Protagonistin eines hervorragenden Artikels des US-amerikanischen Wirtschaftsmagazins FORTUNE mit dem Titel "Betting the Farm".

Shonda Warner betreibt eine Investment-Firma. Das heisst, reiche Leute, Firmen, Pensionskassenfonds, etc. geben ihr viel Geld, mit welchem sie - eben - Land kauft. Genauer: Sie kauft relativ billiges Farmland und vermietet es am Bauern. Ihren Investoren bietet die Spekulantin eine jährliche Rendite von 13 – 16 %, etwa 4% davon kommen aus den Ernteeinnahmen, 8% aus dem gesteigerten Landwert und der Rest aus dem Spekulationsgeschäft mit dem Land, welches sie nach den „bewährten“ Methoden des Hedgefund-Businesses anlegt.
„Landwirtschaftsland“, sagt der amerikanische Rohstoffguru Jim Rogers in der Fortune-Geschichte, „wird eines der besten Investitionsgüter unserer Zeit sein.“
Die sehr freundliche und sehr smarte Frau Warner kann man auch in einem Fortune-Video kennenlernen:
Fortune porträtiert zwei weiter Finanzfachleute, die gross ins neue Land-Business eingestiegen sind. Sie vermarkten Landwirtschaftsflächen ausserhalb der USA, in der Dritten Welt: Der frühere Wallstreet-Banker und Rohstoffhändler Phil Heilberg (44) spekuliert mit Land im vom Bürgerkrieg zerrütteten Sudan,

Land als reales Gut
Land ist das neue Objekt der Begierde. Immerhin erhalten Investoren damit einen realen Wert. Wenn er sehe, wie „Regierungen heute Geld drucken, so schnell sie können, Anleihen tätigen so viel sie können und Firmen retten, die 'Weisse Elephanten' sind", zitiert Fortune den Banker Rothschild, „dann ist es gescheit, auf einen harten Wert wie Land zu setzen.“
Regeln des Spekulations-Markts
Im neuen Land-Spekulationsgeschäft gelten die alten Regeln des heiligen (Finanz-)Marktes: Angebot und Nachfrage:
Land ist - und wird es zusehends mehr - ein knappes Gut. 1960 verfügte die Erde gemäss den Daten der UNO (FAO) über 1,1 Morgen (1 Acre ≈ 4046 m²) bebaubares Land pro Kopf der Bevölkerung. Im Jahr 2000 waren es noch 0,6 Morgen. Und in den nächsten 40 Jahren soll die Weltbevölkerung von heute gut 6 auf 9 Milliarden Esser anwachsen.

Das alles heisst: Die Preise für Nahrungsmittel werden steigen. Für die Konsumenten insbesondere in ärmeren Ländern eine Katastrophe, für die Landbesitzer, respektive die Investoren ein Segen.
Landgrab
Kein Wunder findet zur Zeit ein eigentlicher Wettlauf um Land statt. Englisch heisst das Phänomen "Landgrab", übersetzt auf deutsch etwa "das-sich-Land-unter-den-Nagel-reissen". Das der UNO (genau der FAO, der Landwirtschaftsorganisation der UNO) nahestehende International Food Policy Research Institute (IFPR) hat letztes Jahr eine eindrückliche Bestandesaufnahme des Phänomens gemacht und in einer interaktiven Karte dargestellt:

Grossinvestoren aus dem Ausland
Nicht nur private Spekulanten, Banken und Pensionskassen investieren grosse Summen in Land, sondern nicht zuletzt auch Grossfirmen wie die Koreanische Daewoo, die versucht hat, halb Madagaskar aufzukaufen. Zu den grössten Landkäufern insbesondere in Afrika - (eine ausführliche Studie zum Thema Landgrab in Afrika gibt es hier.) - gehören die Staaten am Arabischen Golf. Saudiarabien hat 2008 seine jahrelangen, extrem teuren Bemühungen aufgegeben, auf künstlich bewässerten Wüstenflächen (siehe Top-Bild) mehr Nahrungsmittel im eigenen Land zu produzieren, und kauft inzwischen unter anderem im Sudan riesige Agrarflächen auf.
Chance und Bedrohung
Natürlich stellt dieser "Landhunger" für Länder der Dritten Welt auch eine Chance dar. Plötzlich ist ihr bisher "wertloser" Boden viel Geld wert. Doch die wenigsten "unterentwickelten" Staaten sind so aufgestellt, dass sie die Chance im Sinne des Landes und seiner Bevölkerung nutzen können. Die Verlockung für die aktuellen Machthaber, die neue Geldquelle für die persönliche Bereicherung zu sichern, scheint zu gross und die staatlichen Strukturen und Prozesse zur Bewältigung des Problems sind zu schwach. (Siehe "Thirst for Distant Land").

Agrar-Hilfe G-8
Welch dramatische Bedeutung die Problematik Land/Nahrungsmittelsicherheit inzwischen hat, hat eben der Gipfel der mächtigsten Industrienationen in L'Aquila (Italien) unterstrichen: Im Kampf gegen Hunger und Armut wollen die G-8 die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern in den kommenden drei Jahren mit 20 Milliarden Dollar unterstützen.

Was gut tönt, könnte auch ein Alarmsignal sein: Die FAO hat denn auch prompt gewarnt, trotz dieser - bisher bloss versprochenen - Milliardenhilfe seien die Länder in Afrika, noch länger auf direkte Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Insbesondere wird mit der versprochenen Hilfe das Hauptproblem nicht gelöst: Solange die Industrieländer ihre eigenen Landwirtschaften mit Milliarden subventionieren und damit ihren Bauern erlauben, die Märkte in Afrika mit künstlich verbilligten Produkten zu überschwemmen, werden die afrikanischen Bauern unter dem strengen Regime der Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank nicht einmal auf den Märkten im eigenen Land konkurrenzfähig sein. (Viel sehr kritisches Material dazu u.a. bei ATTAC hier.)
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