Montag, 20. Juli 2009

Ameisen stehen nie im Stau



Nicht zum ersten Mal sind Ameisen in Contextlink Beispiel und Vorbild ("Ameisen und Menschen"). Diesmal in Sachen Verkehr und kooperativem Verhalten. FAZ.net hat einen spannenden Artikel dazu veröffentlicht: "Besser reisen: Ameisen stehen nie im Stau":
"Eine der längsten Straßen unseres Planeten ist fast sechstausend Kilometer weit und verbindet Norditalien mit der spanischen Atlantikküste. Milliarden sind täglich auf dieser Magistrale unterwegs, trotzdem wird weder gehupt noch gedrängelt. Es gibt keine riskanten Überholmanöver, kein Einfädeln in letzter Sekunde, keine Tempolimits oder Verbotsschilder. Baustellen werden elegant umfahren. Falls es doch zu einer kleinen Karambolage kommt, bleibt sie für die Beteiligten folgenlos. Und ganz egal, wie viele Reisende zur Stoßzeit auf die Piste strömen, in einen Stau gerät hier niemand. Der Verkehr fließt vollkommen störungsfrei."

Die Rede ist von der ursprünglich aus Argentinien stammende Ameisenspezies Linepithema humile. Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten an mindestens drei Stellen der Erde zu gigantischen Superkolonien vereinigt. Stressfrei. Und deshalb interessieren sich jtzt die Verkehrsexperten für die Ameisen: Wie schaffen die das bloss?
Ameisenforscher kennen die Antwort längst, schreibt faz.net: "Verständigung und Kooperation".

Doch genau das, schaffen wir Menschen nicht. Auf der Strasse kommt unser Charakter regelmässig und total ungeschminkt zum Vorschein: "Gerade hinter dem Steuer eines Kraftfahrzeugs verhält sich der Mensch besonders egoistisch, eitel und auch noch unaufmerksam", zitiert faz.net den amerikanischen Verkehrspsychologen und Autor Tom Vanderbilt ("Traffic").

Der Artikel spricht dann kaum merh davon, wei die Ameisen das Problem lösen, sondern wie unmöglich wir Menschen uns beim Autofahren verhalten. Zwei Umstände betonen die Forscher insbesondere: Wir überschätzn unsere Fähigkeiten beim Autofahren und wir sind unsozial egoistisch: "Den meisten Autofahrern geht es auf der Straße eben nicht um den kollektiven Fahrerfolg. Sondern darum, wie sie sich selbst am besten durchsetzen können."
Was die Wissenschaftler inzwischen beweisen können, wissen wir eigentlich längst: „Würden wir uns nicht mehr egoistisch verhalten, ginge es einigen wenigen schlechter, aber den meisten sehr viel besser." Forschung an indischen Wanderameisen hat ergeben: "Dn höchsten Durchsatz an Individuen pro Streckenabschnitt erzielen die Insekten, wenn sie alle im gleichen Tempo und in kleinen Trupps unterwegs sind."

Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von technischen Navigationshilfemitteln, doch die Psychologn und Verkehrswissenschafter sind sich einig, dass das nicht reicht, weil wir uns von dem "Assistenzsystemen" "bevormundet" fühlen.

Wirklich nützen würden bauliche Massnahmen und zusätzliche Vorschriften/Verbote und deren Bestrafung bei Nichtbeachtung. Doch nicht nur in der Schweiz würden da Organisationen wie die IG Freiheit auf den Plan gerufen, die von "Entmündigung der Bürger" faseln würden und mit Freiheit, die Freiheit Einzelner, Rücksichtloser, Stärkerer auf Kosten des Schwächeren und der Allgemeinheit meinen.
Dabei würde ihr Glaubenssatz "Weniger Verbote" tatsächlich funktionieren: Der kürzlich verstorbene Verkehrsplaner-Guru Hans Mondermann hat im Auftrag der EU bei mehreren Experimenten in holländischen Städten sämtliche Verkehrsschilder entfernen lassen. Nur das Rechtsfahren und die Regel rechts-vor-links wurden beibeghalten. Es funktionierte: Alle Verkehrsteilnehmer haben aufeinander Rücksichten genommen. Trotzdem blieb es beim Experiment ohne dauernde Anwendung:
Im Endeffekt waren die Resultate für unsere Ansprüche aber doch ernüchternd, wie die FAZ schreibt: "Leider funktioniert Mondermans Prinzip bislang nur, wenn sich die Verkehrsteilnehmer mit einer Geschwindigkeit von weniger als dreißig Kilometern pro Stunde fortbewegen. Das entspricht im Übrigen dem Tempo einer rasenden Ameise, wenn man ihre Dimensionen auf die eines durchschnittlich großen Pkws hochrechnet."

Eben: Das geht natürlich nicht, so langsam! Wir sind doch keine Ameisen!
Doch wenigsten ein bisschen von den Ameisen lernen, könnten wir vielleicht. In aller Freiheit.

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