Foto: The National/AUE
Über 20 Jahre stand Libyen unter einem UN-Embargo. Das Land mit den 9.wichtigsten Erdölvorkommen der Erde (Hintergrundinfos des Secos, inkl. Libyen-Schweiz spezifisch; hier) hat sich völlig isoliert, nur wenige Sahara-Touristen haben das Land besucht. Seit Präsident Muammar Gaddafi seinem Land 2003 wieder eine langsame Öffnung ermöglichte, erlebt Libyen einen "Zukunftsschock".
So titelt die englischsprachige Zeitung "The National" der Vereinigten Arabischen Emirate ihre ausführliche Reportage über Libyen.
Ich finde den Artikel sehr lesenswert, weil er - zweitens - eine Vielzahl sehr spannender Informationen über das noch immer erzkonservative Land am Mittelmeer gibt, vorallem aber, weil er - erstens - Libyen aus der Sicht eines anderen arabischen Landes zeigt; oder vielleicht noch etwa spezieller: Aus der Sicht des Istanbul-Korrespondenten dieser Zeitung vom arabischen Golf, einem Griechen: Iason Athanasiadis. Das nenne ich moderne - und gleichzeitig traditionsreiche - Mittelmeerkultur.
Ausschnitte (mein Übersetzungsversuch):
"Libyens plötzliche Entscheidung, seine Jahre in der internationalen Wildnis zu beenden und den Westen wieder zu umarmen, hat eines der isoliertesten Länder abrupt verändert."
"Libyen befindet sich mitten in einem ausserordentlichen Veränderungsprozess: nach Jahren der Isolation hat das schläfrige, nordafrikanische Land eine dramatische Wende vollzogen, welche Kräfte für die Entwicklung im Bereich des wirtschaftlichen Wohlstandes und einer plötzlichen kulturellen und politischen Befreiung entfesselten - mit noch ungewissen Konsequenzen für eine der frömmsten und konservativsten Gesellschaften dieser Welt."
"In Libyens Hauptstadt Tripolis schiessen westliche Modeshops aus dem Boden, fremde Firmen und eine Armee von teiggesichtigen, westlichen Beratern."
"In einem Land, das resolut religiös ist, in dem aber die Verschleierung nicht obligatorisch ist, sieht man eine wachsende Zahl modisch angezogener, unverschleierter Frauen in der Öffentlichkeit."
"Jetzt," zitiert "The National" einen tripolitanischen Geschäftsmann, "da Ausländer hier leben und arbeiten, schauen die Einheimischen zu ihnen auf und es gefällt ihnen, was sie sehen - sie ahmen es nach."
"Das Land verfügt über 2000 Kilometer noch nicht entwickelte Strände und fünf historische Stätten, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören (Bild unterhalb links: Apollo-Tempel in de altgriechischen Stadt Kyrene); das Land gilt als unterbewerteter Geh-hin-bevor-es-verschandelt- ist Touristengeheimtipp."
Ein Jungunternehmer, der eben seinen Job bei einer Ölfirma aufgegeben hat und künftig sein Geld im Tourismus verdienen will, hat gegenüber Reporter Athanasiadis aber klar gemacht, dass er einen ganz speziellen Tourismus mitentwickeln helfen will:
"Wir können nicht mit unseren Nachbarländern Aegypten und Tunesien konkurrieren, welche über eine Infrastruktur für den Masssentourismus verfügen", sagt Jungunternehmer Mutaz Shegewi. "Es ist besser, wir konzentrieren uns auf die libysche Kultur und einen zum Islam passenden Tourismus als Westler zu jagen mit Versprechungen von Sandstränden und hedonistischen Nächten."
Iason Athanasiadis schwärmt vorallem von Ghadames, der uralten Wüstenstadt in der libyschen Sahara (Bild rechts).
Libysche Intellektuelle wollen die Öffnung ihres Landes. Aber nicht das, was sie die "Amerikanische Agenda für Libyen" nennen: "Die Schaffung eines neuen Muslim-Modell-Staats, der gefügiger ist - und Ressourcen-reicher - als die anderen säkulären Moloche am Mittelmeer, die Türkei und Ägypten."
Westliche Ideen nach Libyen zu bringen, sei wie "einen Damm in ein Wadi bauen. Sie denken, sie können das Wasser aufhalten, aber es wird einfach drüberhinwegfliessen."
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