Samstag, 14. März 2009

Obama: He cannot.

Foto: EPA/Telegraph
Wir haben ja alle gewusst, dass Obama unmöglich alle Hoffnungen wird erfüllen können, die weltweit in ihn gesetzt werden. Er ist und bleibt eine Hoffnung für Viele, aber es wird wohl schon bald fast soviele von Obama Enttäuschte geben.

Zu den Obama-Fans gehört auch der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen (u.a. "Die Korrekturen"). In einem höchst anregenden Interview mit der Literaturbeilage der "Zeit" sagt er unter anderem:

"Obama ist der erste Präsident in meinem Leben, zu dem ich einen persönlichen Zugang finden kann, der erste Präsident, von dem ich mir vorstellen kann, wie es ist, er zu sein."
Aber, Franzen hat ein grosses Aber. Es gebe da eine "schwarze Vision":
Er stell sich vor, Obama sei nach seiner Wahl in einen inneren Raum im Oval Office geführt worden mit einem Regal voller Akten. Nach dem Studium all dieser Daten, Grafiken und Tabellen sei er desillusioniert gewesen. Er habe gewusst: "Was auch immer ich tun werde, es steht nicht in meiner Macht, dieses Land oder die Welt vor der Katastrophe zu bewahren. ... Es wird harte, schmerzhafte, opferreiche Umwälzungen geben - und alles, was ich tun kann, ist, diesen Prozess so lange wie möglich zu verzögern."

Laut Franzen ist Obama gar nicht viel anders als das Feindbild vieler amerikanischer Intellektueller, Dick Cheney, Bush's Vizepräsident: "Cheney war einfach nur ein realistischer Hardliner. Sein Argument lautete: Wenn die Katastrophe kommt, muss ich dafür sorgen, dass mein Land nicht zu schwer leidet - es geht nicht um unsere Freunde in Europa oder Südamerika, es geht zunächst um das eigene Land."

"Politik", sagt Franzen, "ist aus nordamerikanischer Sicht ein simples, offensichtliches und nicht besonders ehrliches Geschäft, das von der Präsentation gezielt einseitiger, interessengeleiteter Weltsichten lebt."

Die Handlungsmöglichkeiten Obamas sind genau so beschränkt wie die der Bush-Administration. Es bräuchte laut Franzen grundsätzliche Veränderung: "Ohne einschneidende Eingriffe in unseren Lebensstil und das Konsumverhalten wird es keine Lösungen geben." Aber es werde "ungeheuer schwer sein", diese Einsicht politisch zu vermitteln.
"Gerade hier in Amerika geht das gegen alles, was unser Land ist und sein will. Die Menschen kamen schliesslich hierher, weil sie ein besseres Leben wollen."

Franzen ist überzeugt, der amerikanische Mythos - dazu gehört wohl nicht zuletzt der Glaube an das "Yes, we can" - müsse verändert, neu erzählt werden, doch: "Es würde mich sehr erstaunen, sollte Obama auch nur in Ansätzen Schritte in diese Richtung unternehmen. Ich habe den Eindruck, nicht einmal der Messias selbst könnte angesichts der Gegebenheiten viel erreichen."

Die "Zeit" hatte Jonathan Franzen gleich zu Beginn des Interviews gefragt, wie es Amerika, wie es New York, wo der Schriftsteller lebt, im März 2009 gehe: "Im Moment gleicht die Stadt einem Comic-Helden, der über die Klippe geschubst wurde, aber noch nicht aufgeprallt ist."
Doch es sei gut möglich, dass - auch nach dem Aufprall - "diese Krise von vielen Leuten als weniger schmerzhaft empfunden wird", als die Krise von 1929, weil heute "die Möglichkeiten des Eskapismus" gross seien.
"Unsere ganze Kultur - mit der Unterhaltungsindustrie an der Spitze - ermutigt dazu, sich so kindisch wie möglich zu verhalten."
Und:
"Ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass Menschen zu plündern anfangen, nur weil sie sich keinen neuen iPod leisten können oder weil ihr Handy bereits ein Jahr alt ist."

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