Foto: New York Times
Den Titel dieses Beitrags habe ich von einem Artikel auf Spiegel Online entlehnt. Er berichtet über die katastrophalen Zustände im Bosnischen Fussball. Aber er könnte problemlos auch als Titel für den Zustand des ganzen Landes gelten.
Der Fussball als Spiegel der Gesellschaft
"Lauter Heimsiege, Absprachen, bedrohte oder bestochene Schiedsrichter: Korruption und Misswirtschaft haben den bosnischen Fußball zerstört." Die Infos des Spiegelartikels basieren wesentlich auf einem Report des OCCPR, dem "Reportage-Projekt organisierte Kriminalität und Korruption", welches unter anderem von der UNO finanziert wird.
"Die Atmosphäre in unserer Fussballwelt ", sagt Mensur Dogan, Präsident der Vereinigung der Fussballtrainer in Sarajevo im OCCPR-Report, "ist wie im Wilden Westen. Das passt diesen Leuten, weil sie in einer Situation der Anarchie arbeiten können. Solche Leute mögen kein funktionierendes System."
Man sagt auch bei uns, der Sport, speziell der Fussball, sei nur ein Abbild der Gesellschaft. Wenn das auch für Bosniens Fussball gilt, dann steht es um Bosnien wirklich nicht gut.
Milliarden Hilfsgelder gestohlen
Vor 13 Jahren wurde der Krieg in Bosnien mit dem Abkommen von Dayton und der De-Facto- 3-Teilung des kleinen Landes beendet. Seither sind mehr Hilfsgelder nach Bosnien geflossen als nach dem 2. Weltkrieg im Rahmen des Marschallplans an 18 europäische Länder zusammen. Das berichtet Anes Alic auf ISN, dem International Relations and Security Network der ETH Zürich unter dem Titel "The donation sieve", das Hilfsgelder-Sieb.
Man weiss in Bosnien nicht einmal genau, wieviel Geld wirklich in den letzten Jahren zum Wiederaufbau des Landes nach Bosnien geflossen ist. Die Rede ist von 7 bis 10 Milliarden Euro. Man weiss nur: Ein Grossteil ist in tiefen Taschen von "rund 50 Geschäftsleuten, Politikern, kirchlichen Würdenträgern, Journalisten und ähnlichen".
Die Diebe verhindern die Aufklärung
Das Bosnische Parlament startete im Januar bereits die dritte Untersuchungskommission seit 1996. Der Versuch soll herauszufinden, wie die Milliarden Hilfsgelder verwendet wurden, respektive wer, wieviel davon entwendet hat. Und nicht nur in Bosnien geht man davon aus, dass diese dritte Untersuchung genau soviel an den Tag bringen wird, wie ihre zwei Vorgänger: Nichts. Auch wenn ihr Kommissionspräsident ein alter Kriegshaudegen, Ex-General Sefer Halilovic (Bild rechts von Kikeri), der vom Internationalen Kriegsverbrechertribunal zweimal von entsprechenden Klagen freigesprochen worden ist.
Alle wissen in Bosnien, in wessen Taschen das Geld geflossen ist. Es sind die Leute, die seit 1995 immer noch an der Macht sind. Ihre Vasallen stellen auch wieder den Grossteil der Mitglieder der Parlaments-Kommission Halilovic, und so wäre eine Publikation möglicher Resultate eine Überraschung, ein Anklage und Verurteilung der Schuldigen aber eine Sensation. Um so nötiger ist sie, denn was Bosnien braucht, ist ein radikaler Wechsel.
Bosnien, ein "totes Pferd"?
Die Situation im dreigeteilten Land hat sich in den letzte Jahren nicht verbessert, im Gegenteil.
Er habe keine Lust mehr, ein totes Pferd zu reiten, sagte der oberste EU- Verwalter, der Hohe Repräsentant für Bosnien, der Slowake Miroslav Lajcak (Bild links), als er im Januar resigniert sein Amt niederlegte.
In einem Interview mit der Tageszeitung Oslobodjenie hat er zwar betont, er habe damit nicht Bosnien, sondern die EU-Verwaltung gemeint, doch die Bosnier haben schon verstanden. Viele Bosnier haben längst resigniert. Wer konnte, hat das Land verlassen.
Einer der Vorgänger als EU-Verwalter Bosniens war der Österreicher Wolfgang Petritsch. Er empfiehlt in einem dringlichen Apell, bevor ein neuer EU-Verwalter ein Amt antritt, müssen neue Bedingungen mit der bosnischen Politik ausgehandelt werden. Die bisherigen "Zustände" seien eine "nicht mehr leistbare Geldverschwendung."
In erste Linie wird es darum gehen, die ethnische Spaltung, deren von der Verfassung zementierten Struktur, zu überwinden, was aber definitiv nur gelingen kann, wenn die alten, nationalistischen Köpfe und Parteien entfernt werden; nicht nur der im Westen und auch von Lajcak vielgescholtene Chef der Republika Srbska, Milorad Dodik (Bild rechts), sondern auch die nationalistisch Ewig-Gestrigen im "muslimischen" Bosnien und im "christlich"-kroatischen Westen des Landes. Nicht zuletzt gilt es auch, den zunehmenden Einfluss der muslimischen Kleriker wie dem Obermufti von Sarajevo, Mustafa Ceric, zurückzubinden.
Die aktuelle Wirtschaftskrise, findet Petritsch, sei eine Chance für einen Neuanfang in Bosnien.
Vielleicht wäre es ein guter Anfang, wenn die EU-Verwaltung Kommissionspräsident Halilovic so unterstützen könnte, dass er tatsächlich Licht in den Korruptionssumpf bringen könnte und so die alten Nationalisten- Seilschaften endlich von der Macht verdrängt werden könnten.
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