Ein sehr bemerkenswerter Artikel des britischen Aussenministers David Miliband ist heute im "Guardian" erschienen: Der "War on Terror", der Krieg gegen den Terror, den die USA nach dem 11. September 2001 gestartet haben und den auch Grossbritannien aktiv unterstützt und mit geführt hat, sei "irreführend und falsch" gewesen und habe wohl "mehr geschadet als genutzt", schreibt Miliband. Das Konzept des Krieges gegen den Terror hätte die falsche Einschätzung gemacht, es handle sich um einen geeinten, transnationalen Feind, verkörpert in der Person Osama bin Ladens und der Al-Qaida.
Tatsächlich hätten die verschiedenen islamischen Terrororganisationen sehr unterschiedliche Identitäten und Motivationen.
Dies neue Haltung Grossbritanniens ist sehr bemerkenswert. Nicht nur, weil damit Amerikas bisher wichtigster Partner das Scheitern dieses Krieges zugibt, sondern auch, weil sich damit Grossbritannien zum ersten mal offensichtlich vom alten Partner USA emanzipiert. Damit besteht zumindest eine Chance, dass sich Grossbritannien auch militärisch-politisch seinen EU-Partnern annähert und gemeinsam mit ihnen eine eigenständige Strategie zum Umgang mit dem islamischen Fundamentalismus entwickelt.
Die USA haben in der muslimischen Welt jeden Kredit verspielt. Eine "Abnabelung" von der unklugen Politik der USA erhöht Europas Glaubwürdigkeit in der islamischen Welt und kreiert neue Chancen auf eine friedliche Entwicklung mit den islamischen Staaten inklusive Iran in gegenseitigem Respekt, welche langfristig dem Fundamentalismus den ideologischen Boden entziehen kann.
Erster Schritt muss eine eigenständige Politik Europas in der Palästina-Frage sein, die Israel klar in die Schranken weist. Zu lange schon vergiftet die Israel/Palästina-Frage die Weltpolitik. Gelingt es Europa, eine gemeinsame Politik mit den wichtigsten Partnern im Nahen und Mittleren Osten für Palästina zu entwickeln, wird das Gebiet am Ostende des europäischen Meers, dem Mittelmeer, geostrategisch zur europäischen Einflusszone. Gelingt es nicht, wird sich die arabische Welt weiter in Richtung Osten, hin zur chinesisch-indischen Einflussphäre, orientieren, wie dies heute schon zu beobachten ist.
.Zusatz:
Damit übernimmt der britische Aussenminister Miliband die These, welche 2006 schon der indisch-stämmige Herasugeberes von Newsweek Inernational Fareed Zakaria vertreten hat. Ausschnitt aus einem Interview mit der Zeit vom Sept. 2006:
"Die Bush-Regierung hat einen großen strategischen Fehler begangen, der noch schwerer wiegt als der Irak-Krieg: Sie geht davon aus, dass wir alle gegen eine große Kraft, den „Islamo-Faschismus“ kämpfen. Für sie sind alle Menschen auf der ganzen Welt, die zu den Waffen greifen oder Terror ausüben, Kämpfer in derselben Schlacht. Doch so sieht die Realität nicht aus, und wir sollten sie gar nicht erst erschaffen. Pakistanisch finanzierte Terroristen in Bombay, tschetschenische Rebellen in Russland, unzufriedene Londoner Moslems und Schiiten im Libanon in einen Topf zu werfen und zu einer großen islamo-faschistischen Bewegung zu erklären, ist völlig verrückt. Die Welt des Islam ist sehr vielfältig. Wir sollten die Unterschiede zwischen Persern und Arabern, Schiiten und Sunniten, Fundamentalisten und Moderaten lieber für uns ausnützen. Das Gefährliche an Bushs Sicht der Dinge ist, dass sie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist. Nach einer Weile fühlen sich all diese Leute gleichermaßen von der westlichen Welt gehasst und verfolgt. Und dann hat man den Kampf der Kulturen wirklich herbeigeführt."
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