Es fällt mir schwer, darüber nachzudenken. Jetzt hat es der Kongo, respektive die Katastrophe im Osten Kongos, im Kivu, wieder in die Schlagzeilen der internationalen Medien geschafft.
Eigentlich gut so. Nur: Ich fürchte, das wird nicht weiter helfen. Mir kommt es vor, als wären wir in einer Endlosschleife des immer gleichen Albtraums:
Die Bilder sind immer dieselben. (Sie fördern bei mir viele üble persönliche Erinnerungen wieder an die Oberfläche: Ruanda, Kisangani, Kisese, aber auch schöne: Goma, Bukavu). Die Probleme und Hintergründe sind immer noch dieselben wie 1996 (Bild links), wie 1999, 2001 2004, 2007, 2008, .....:
Keine politische Ordnung im Ost-Kongo
Die zentrale Regierung in Kinshasa ist unfähig, Ordnung zu schaffen im unendlich weit entfernten, landschaftlich gigantisch-schönen Ostkongo.
Umso näher liegt der Kivu für die Nachbarn Uganda und Ruanda, welche ein vitales Interesse an der Situation jenseits ihrer Grenze haben und dieses auch aktiv durchsetzen, militärisch und wirtschaftlich:
Die reale Bedrohungssituation durch bewaffnete Einheiten der ehemaligen Hutu-Armee, welche nach dem Genozid in Ruanda in den benachbarten Kongo geflohen sind, nutzt Ruanda (und Uganda), um wichtige Rohstoffquellen innerhalb des Kongo zu kontrollieren. Der Zufluss dieser Rohstoffe auf die internationalen Märkte war und ist während all den Konflikten und humanitären Katastrophen nie abgebrochen. Die westliche Finanzwelt verdient Milliarden an den Rohstoffen aus dem Katastrophengebiet.
Historische Altlasten
Der Kongo ist seit Jahrzehnten ein natürlicher Ueberlauf für die Uebervölkerung des Gebiets rund um die grossen afrikanischen Seen, speziell für das kleine Ruanda, Uganda und Burundi. Seit Jahrzehnten ziehen Menschen, die kein Auskommen haben in diesen Ländern Richtung Westen in den Kongo, wo es noch viel mehr Platz und (vielleicht) eine Zukunft gibt.
Die Menschen diesseits und jenseits der Grenzen sind also sehr eng verwandt und inzwischen dürfte der Anteil der Bevölkerung im kongolesischen Kivu, der aus dem Gebiet östlich der Grenze stammt, grösser sein als die "alteingesessene" Bevölkerung im Kivu. Doch dies ist eine Sicht, die den Verhältnissen vor Ort nicht wirklich gerecht wird. Sie wurde geschaffen, durch eine künstliche Grenzziehung durch den Kolonialismus und die Schaffung von Nationalstaaten auf der Basis der kolonialen "Grenzen", die nichts mit den realen demographische-historischen Verhältnissen zu tun hat.
Die Regierung im fernen Kinshasa verfügt nicht über die Macht, das Problem im Osten des Landes zu lösen. Einflussreiche Politiker aus dem Ost-Kongo,welche das Problem in ihrer Heimatregion vielleicht lösen könnten, werden im übrigen Kongo und speziell in der Hauptstadt als Bedrohung empfunden, mögen sie Kabila, Bemba oder auch nur Nkunda heissen. Im zentralen und südlichen Kongo grassiert ein starker Rassismus gegen die "Tutsis" aus dem Osten.
Der Untergrund: Bodenschätze
Und: Als wär das alles nicht schon kompliziert genug, wird die ganze demographisch-historische Problematik noch überlagert vom Kampf um die Reichtümer, die im Boden der Region schlummern: Hier lagern die reichsten Rohstoffvorkommen der Erde: Diamanten, Gold, Kupfer, Coltan, usw.. Sie wecken die Begierden der grossen globalen Minengesellschaften von Südafrika über Kanada bis China.
(Uebrigens: Fast jeder von uns hat ein kleines Stückchen Ost-Kongo in der Tasche: Das Metall Coltan, das in jedem Handy-Telefon verwendet ist, kommt zum allergrössten Teil aus den Minen im Kriegsgebiet.)
Solange die Situation im Ost-Kongo instabil ist, können die Bodenschätze von den internationalen Minengesellschaften und ihren Strohmännern ohne jede Kontrolle ausgebeutet werden. Es genügt, sich mit den lokalen Warlords zu verständigen. Und das ist auch der Grund, warum der Krieg im Ost-Kongo endlos erscheint: Die Warlords verfügen ständig über gegenügend Geld, um sich nicht nur Waffen zu beschaffen, sie bieten jungen Menschen auch eine Beschäftigung - und das Gefühl von Macht, was wiederum zu den ständigen schlimmen Menschenrechtsverletzungen, zu ständigen Vergewaltigungen, Plünderungen, Flucht und immer wieder zu Massakern an der Zivilbevölkerung führt.
Und so geht der endlose Albtraum weiter. Meist nimmt die Welt davon keinen Notiz, manchmal dringt der Ostkongo wegen seiner humanitären Katastrophe kurzzeitig an die Oberfläche, Hilfsorgansiation haben eine Daseins- und Sammelberechtigung, es werden internationale Konferenzen abgehalten und Appelle verbreitet. Dann verschwindet der Ostkongo wieder von der medialen Bildfläche der Welt. Aber der Albtraum geht weiter.
Information hilft nicht
Hier nocheinmal ein guter Hintergrund zur aktuellen Situation im Kivu. Diesmal von Reuters. Aber ich habe inzwischen Zweifel, ob die Information etwas hilft. Es fehlt der Wille der welt, im Kongo wirklich etwas zu verändern. Wir haben schliesslich grössere Probleme, zum Beispiel die Neuordnung der Finanzwelt, die dank der katastrophalen Situation im Kongo Milliarden verdient an den Rohstoffen aus der Region. ....und mit dem Geld aus dem Rohstoffhandel finanzieren die kongolesische Warlords wieder ihre Waffen und Soldaten .... und .... und der endlose Albtraum geht weiter......
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