Freitag, 1. August 2008

"Schweizer Helden"


Neben allen Lobhudeleien über die freiheitsliebenden Urschweizer erscheinen in der medialen Berichterstattung rund um den 1. August auch immer wieder Informationen, die ein anderes, übles Bild der "Heldentaten" unserer "wehrhaften Vorväter" durchscheinen lassen. Im Blog "Der Blocher der alten Eidgenossen" weiter unten habe ich schon Roger Sabloniers Schilderungen der "Schwyzer Haudegen" in der Schlacht von Morgarten in seinem neuen Buch "Gründungszeit ohne Eidgenossen" beleuchtet.

Im Tagesanzeiger Online wird jetzt eine Anekdote beschrieben, die aufzeigt, was für üble Typen wohl nicht wenige "unserer Helden von Marignano" waren:

"Schweizer Söldner waren überhaupt stolz und berühmt wegen ihrer Brutalität. Sie waren derart berüchtigte Vergewaltiger, dass nach der Schlacht von Marignano 1515 italienische Ärzte den toten Schweizern das Bauchfett herausschnitten. Sie verarbeiteten es zu einem teuren Potenzmittel, dem «Schweizerspeck».

Schilderungen über die Brutalität der "Reisläufer" aus dem Gebiet der heutigen Schweiz gibt es viele und dass die Vergewaltigung zum Alltag der Soldaten gehörte, kann niemanden verwundern. Sie sind Alltag in jedem Krieg, bis heute.

Das unschöne Bild der Schweizer Söldner, das hier gezeichnet wird, entspricht zweifellos der Realität.

Die Motivation eines jungen "Schweizers" in den Krieg zu ziehen, ist nicht schwer nachzuvollziehen: Statt Steine aus dem kargen elterlichen Acker zu lesen oder den Stall zu misten, statt unter den strengen Fittichen des Vaters oder den konservativen Normen der engen dörfliche Gesellschaft zu leiden, statt dem mühsamen, langweiligen Alltag daheim mit den Kumpels hinaus in die Welt zu ziehen, mit der Aussicht auf Abenteuer, Frauen und Alkohol und dabei erst noch Geld zu verdienen, .... niemand kann sich im Ernst wundern, warum die Jungs damals scharenweise gen Süden zogen.

Die "Schweizer Helden" waren wohl eher eine Art "Hooligans" ihrer Zeit, als tugendhafte Helden im Dienste einer gute Sache. Das Motiv der Söldner von damals war das gleiche wie das der Söldner in den modernen Kriegen: Geld, Abenteuerlust, Flucht vor der Verantwortung im eigenen Leben und Macht, sogar Macht über Leben und Tod.

Und niemand darf sich im Ernst wundern, dass die Soldaten damals neben dem Kämpfen und Sterben auch jede Menge Schweinereien anrichteten. Die Methoden des Krieges haben sich seither verändert, das Wesen des Krieges war in Marignano 1515 nicht anders als in Bosnien 1994 oder im Irak oder im Sudan heute: dreckig. Angst, Machismo, Raserei, Bestialität. Alle sind Opfer, auch die Täter.


Erstaunlich, fast bewundernswert ist dagegen die kommunikative Leistung derjenigen unserer "Vorväter", die in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Katastrophen wie Morgarten, Sempach, Novara oder Marignano zu Heldenepen hochstilisierten, und diese wilden Haufen von Hooligans des ausgehenden Mittelalters den Bürgern der modernen Schweiz als "Helden und Freiheitskämpfer" verkaufen konnten, die auch noch am 1. August 2008 besungen werden.

1 Kommentar:

stilicho hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Müller

Zweifellos handelte es sich bei einem Grossteil der Schweizer Reisläufer um üble Burschen, auch sind die von Ihnen beschriebenen Gräueltaten nicht zu bestreiten (wobei das Herausschneiden des Bauchsprecks auch das entsprechende Niveau der damaligen Gegner zeigt).
Allerdings ist es unzulässig die Schlachten Morgarten und Sempach mit den Schlachten Novarra und Marignano gleich zu stellen. Erstens handelt es sich um verschiedene Generationen von Soldaten (siehe Alter Eidgenoss und junger Eidgenoss von Manuel Deutsch), wobei die ältere die jüngere schon in der damaligen Zeit für deren Verrohung verurteilte. Zweitens handelte es sich bei Morgarten und Sempach um tatsächliche Loslösungskriege vom Reich,während Novarra und Marigano finanzierte Soldunternehmen waren. Die frühen Schweizer Krieger waren bestimmt keine Helden im heutigen Sinn, dennoch haben sie unter dem Einsatz ihres Lebens den Grundstein für die heutige Schweiz gelegt und verdienen es nicht, dass man mit der von Ihnen propagierten Verachtung auf sie zurück blickt. Die damalige Zeit war entsrechend roh. Um sich in diesem Umfeld die Unabhängigkeit zu erstreiten kam den Eidgnossen ihre Wildheit (sie würden sagen Rohheit) zu gute. Wären sie nicht die gewesen welche sie gewesen sind hätte eine Niederlage bei Morgarten wohl dazugeführt, das wir Gelegenheit gehabt hätten uns an den "Heldentaten" im 1. und 2. Weltkrieg auf Verliererseite zu beteiligen.

Mit freundlichen Grüssen

Peter Brunenr