Er ist vorbei, der Schweizer Nationalfeiertag. Zum Glück. Jedes Jahr in der Zeit um den 1. August fühle ich mich fremd in der Schweiz. Mit all dem, was da als "typisch schweizerisch" daherkommt und mit einem Heiligenschien versehen zelebriert wird, kann ich immer weniger anfangen.
Die bärtigen Hinterwäldler aus der Innerschweiz, die Jodelnden bauern aus dem Appenzell oder die komische (Ländler-) Musik direkt aus dem Museum oder die zugegeben urchigen Ringkämpfe, oder .....: mit all dem habe ich als Städter und speziell als Basler wirklich nichts am Hut.
Drei Viertel der Bevölkerung der Schweiz lebt in städtischen Gebieten, wie kann es nur sein, dass ihr eine rein bäuerlich-berglerische Kultur als "typisch schweizerisch" verkauft wird.
Meine "Heimat" sind nicht die Berge, sondern die Stadt. Ich schaue als Basler nicht nach Innen, sondern hinaus in den Welt, den Rhein hinunter, ins Elsass.
Dabei fühle ich mich sehr wohl als Schweizer. Hier ist es mir wohl, hier kenne ich mich aus und hier fühle mich auch (meist) zugehörig.
Aber so ein Schweizer, wie er da in allen Medien dargestellt ist, bin ich nun wirklich nicht.
Das Bild das man da von mir, Schweizer, zeichnet und auch international verbreitet, empfinde ich als peinlich.
Dieses Bild erinnert mich stark an die das negative Vorurteil, dass viele Nichteidgenossen seit dem ausgehenden Mittelalter von den Schweizern hatten: "die Kuhschweizer". Und dies war ein sehr negatives, bewusst sehr beleidigendes Bild, denn es bezog sich nicht einfach auf den häufigen Broterwerb der Schweizer als Milchbauern oder Viehzüchter, sondern es suggerierte, dass die einsamen Bergler oben auf ihrer weltfernen Alp, ihre sexuellen Nöte an den Kühen befriedigten. Sodomie in der Fachsprache.
Nichts soll die Schweizer Söldner zu Beispiel in Marignano mehr zur Weissglut und zur Aufgabe jeder taktischen Disziplin veranlasst haben, als die Beschimpfungen durch die deutschen Landsknechte als "Kuhschweizer".
Eine derartige Schmähung hatte eine heute schwer nachzu vollziehende Dimenison mit schwerwiegenden Konsequenzen, denn Sodomiter wurden traditionsgemäss mit Ketzern gleichgesetzt, die aus der christlichen Gesellschaft ausgeschlossen wurden.
Speziell in Basel hat man lange Jahre ein sehr negatives Image von den primitiven Kuhschweizern gepflegt. Schimpfwörter bezogen auf die Schweizer wie "Milchsüfer, Milchstinker, Chuefigger oder Chueschnäggler" haben sich in Basel umgangssprachlich lange gehalten. Und dies, obwohl die ganze Region Basel lange von der kriegerischen Unterstützung angewiesen.
Zuerst im 15. Jahrhundert gegen die Armagnaken aus Frankreich, von denen sich die jungen Schweizer in der Schlacht bei St. Jakob 1444 haben abschlachten lassen und später insbesondere gegen die Habsburger.
Die Hilfe der "Schweizer" war auch nicht ganz selbstlos. Immerhin galt das Elsass damals "Kornkammer und Weinkeller" der Eidgenossen und die Schweizer haben sich ihre Söldnerdienste teuer bezahlen lassen, was die Finanzen Basels und Mülhausen arg strapazierte. Und die wilden Horden haben sich den auch gütlich getan. Ihr Ruf war denkbar schlecht, der Bevölkerung der Region Basel (inkl. Esass) hat schwer unter den "Verbündeten" aus Schweiz gelitten. So sind die Eidgenossen Ende der 60er Jahre des 15. Jahrhunderst den Mülhausern zu Hilfe geeilt. Sozusagn im Vorbeigehen haben sie aber rund 60 Dörfer verwüstet. Was das für die Bevölkerung bedeutet hat, ist klar: Mord, Vergewaltigungen, Brandstiftung.
Die Ueberraschung und das Entsetzen war denn bei Vielen auch gross, als sich Basel 1501 de Bund der Eidgenossen anschloss. Nicht wenige Basler sind aus Protest damals ins (habsburgische) Rheinfelden oder ins Elsass ausgewandert.
Der Mülhauser Bürgermeister Ulrich Gerber, der am Bündnis mit den Basler und den Schweizern festhielt, fand am Pfingssonntag 1505 angeheftet an seinem Platz auf der Kirchenbank ein Blatt, mit der damals gängigen Verunglimpfung: Wer sich mit Basel und der
Eidgenossenschaft verband, suchte Kontakt mit Leuten, welche Sodomie mit Kühen trieben ("Kuhschweizer"). Und die Mülhauser mussten sich bei ihrer Rückkehr von einem Kirchweihfest in Liestal zum Beispiel beim Durchzug in Sierentz übel beschimpfen lassen: Erwartungsgemäss wurden sie als Kuhsodomiten und Verräter beschimpft; die gängige Form der Verleumdung war "gelbes Kuhmaul", denn Gelb bezeichnete traditionsgemäss das Vergehen des Verrats. Der Bund mit den Basler wurde aber 2006 trotzdem besiegelt (siehe Bild).
... und diese Geschichten kommen mir in den Sinn, anlässich der 1. Augustfeiern!!!
..... und: Ist es Zufall, dass Basel nicht am 1. August, sondern am 31. Juni ein Fest feiert?
1 Kommentar:
Was mich ausserdem wundert, dass sich in der sauberen Schweiz niemand an den Bergen von ausgebrannten Feuerwerkskörpern und den Brandmalen auf Strassen und Plätzen stört. Geschieht Littering aus Freude an der schönen Heimat wird sie kommentarlos toleriert. Der nächste Regen und die grossen Besen der Stadt- resp. Dorfreinigung werden die Spuren der nationalen Geburtstagsfete beseitigen. Littering - une question du point de vue.
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