Donnerstag, 17. November 2011

Niamey 2: "Wunder finden statt."

Healing Jesus Crusade Niger Nov. 2011 (Bild: Contextlink)
Mittwoch 16. November:
Der erste Event des Kreuzzugs der Kirche von Dag Heward-Mills in Niger verlief ohne politisch-religiöse Zwischenfälle. Der Aufmarsch von vielleicht 15-tausend Besuchern entsprach aber bei weitem nicht den Erwartungen der Missionskirche aus Ghana. Sie hoffen, dass das morgen ganz anders sein wird: Die lokalen Medien werden in ihrer Berichterstattung über eine ganzen Reihe von Wunderheilungen durch den Evangelisten berichten. Dann wird die Arena wohl voll sein. Für uns war's schon heute ein beeindruckendes, aber irgendwie auch beklemmendes Spektakel.


Dag Heward-Mills, Niamey/Niger 11/20
Der "Evangelist", Dag Heward-Mills hat die Besucher, darunter auch unsern Taxifahrer,  überzeugt: Es haben Wunder stattgefunden." Auf meine Frage, wie er das als Muslim akzeptieren könne, antwortet er: "Warum denn nicht. Er hat eine Gabe." "Er" ist nicht Gott, sondern Dag Hewart-Mills. Befriedigt konnte auch er schon feststellen: "Wunder finden statt."

Wir haben das Ganze - natürlich - sehr kritisch-wachsam verfolgt. Schon früh am Abend, als der Event erst langsam anlief und drei Pastorinnen auf der Bühne die Stimmung in den Sprachen englisch, französisch und in der lokalen Zarmasprache langsam aufzuwärmen versuchten, sind wir etwas weiter hinten mit einem Mann an langen Krücken ins Gespräch gekommen. Ismael. Er habe in Libyen gearbeitet, hätte aber vor dem Krieg fliehen müssen. Auf der Fahrt durch die Wüste sei der Lastwagen verunfallt und er habe sich im Bereich Rücken/Becken verletzt. Seither könne er sein linkes Bein nicht mehr benutzen.
Er war ganz eindeutig spontan hergekommen, also nicht von der Kirche "präpariert" worden.

Ismael, der "Geheilte und Dag Heward-Mills, Niger 11/2011
Drei Stunden später habe ich neben der Bühne den überglücklichen Mann interviewt. "Das Wunder hat statt gefunden," sagt er strahelnd in die Kamera. Zwar immer noch schwer humpelnd, aber ohne Krücken ist Ismael über die Bühne gegangen. Triumphierend hat der Evangelist dazu die Krücken geschwungen. Wir werden versuchen, ihn gegen Ende der Woche nochmal zu treffen, um zu sehen, ob das Wunder anhält.

Ismael war nur einer von vielleicht einem Dutzend Geheilten. Ja, es gab auch einige Enttäuschte, Schwerstbehinderte, die im selben Zustand wieder nach Hause gehen mussten, wie sie gekommen waren. Aber es gab Viele, die nach dem Anlass überzeugt waren, dass etwas mit ihnen vorgegangen sei, dass es ihnen jetzt besser gehe oder sie gar von ihrem Leiden geheilt seien.

Natürlich sind wir skeptisch. Mir persönlich fehlt offenbar einfach eine Grundvoraussetzung. diese "Heilungen" zu akzeptieren - und dieses Wort überhaupt ohne Anführungszeichen zu schreiben: Die Bereitschaft, an ein solches Wunder zu glauben.

Crowd Healing Jesus Crusade Niger 2011 (Bild: Contextlink)
Doch wenn ich gestern abend all die glücklichen, begeisterten Menschen gesehen habe,  muss ich mich schon fragen: Wie komme ich dazu, mir anzumassen, misstrauische Fragen zu stellen, nach "logischen" - um nicht zu sagen "wissenschaftlichen" - Erklärungen zu suchen. Natürlich kann ich schul-medizinisch nachvollziehbare Argumente als Erklärung finden, zum Beispiel die Macht der Autosuggestion. Natürlich kann ich sagen, die Kranken waren einfach hochgradig motiviert, jetzt von ihrem Leiden "erlöst" zu werden.
Den "Geheilten" ist die wissenschaftliche Erklärung ziemlich egal. Sie haben sich gut gefühlt.

Dag Heward-Mills schafft es immer wieder, eine Stimmung zu kreieren, die bei den meisten anwesenden Menschen Wirkung erzielt. Ein Moment des Glücks, der Begeisterung.

Meine Skepsis fühlt sich ziemlich borniert an dagegen.

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