Samstag, 26. Juni 2010

Unrühmliches Ende des größten Bestechungsskandals der Sportgeschichte


Kaum wahrgenommen im Rummel um die Fussball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat diese Woche die Staatsanwaltschaft Zug den grössten Bestechungsskandal der Sportgeschichte ad acta gelegt.

Obwohl erwiesen ist, dass hochrangige Offizielle des Fußball-Weltverbandes Fifa von der Firmengruppe ISL/ISMM, einst Weltmarktführer im Sportmarketing, viele Millionen Euro Schmiergeld erhalten haben, wurden die Ermittlungen eingestellt.


Geld schützt vor Strafe: Die FIFA hat den Fall geregelt, wie sie auch andere Fälle regelt: mit Geld.
Die beschuldigten FIFA-Funktionäre , welche "den Empfang der Gelder nicht in Abrede gestellt haben", wie die Zuger Staatsanwaltschaft in ihrem offiziellen Communiqué diese Woche schrieb, "zeigten sich aber bereit, den von der Staatsanwaltschaft als einer Wiedergutmachung zugänglich qualifizierten Betrag von 5.5 Millionen Franken zu bezahlen. Damit konnte der Schaden in diesem Umfang wieder gutgemacht werden. Ein Teil der Wiedergutmachungszahlungen in der Höhe von 2.5 Millionen Franken kommt gemeinnützigen Organisationen zu."

Zu deutsch: Die FIFA-Funktionäre haben sich freigekauft. Mehr noch: Sie haben auch die Zusicherung erhalten, dass ihre Namen nicht öffentlich genannt werden. Für Juristen mag das irgendwie vertretbar sein (Zwischenruf Jens Weinreich: "Korruptionsverdunklungsvertrag".), für die wenigen Normalsterblichen, die sich überhaupt für die Abgründe hinter der Inszenierung des Weltfussballspektakels interessieren, ist das einfach unglaublich. Ein Skandal. Auch irgendwie eine Schande für ein Schweizer Gericht, auch wenn es formaljuristisch offenbar nicht anders kann, als so zu entscheiden.

Jens Weinreich hat den ganzen Fall FIFA/ISL in seinem Blog noch einmal aufgearbeitet. Gleichzeitig veröffentlicht er sein dazugehöriges Link-Archiv. Sehr wertvoll, aber auch ein Zeichen, dass jetzt sogar die wenigen Kritiker den Fall beerdigt haben. Weinreich braucht zwar noch den Konjunktiv, aber er macht jetzt für sich offenbar  einen Strich unter die "Sache":
"Mit diesem Deal könnte das letzte Kapitel in der juristischen “Aufarbeitung” des größten Bestechungsskandals der olympischen Sportgeschichte geschrieben worden sein. Es geht um mindestens 138 Millionen Schweizer Franken, mit denen das Firmen-Konglomerat ISL/ISMM, zwanzig Jahre lang unangefochtene Nummer eins der Welt im Sportmarketing, zahlreiche hochrangige Sportfunktionäre geschmiert hat, um an die lukrativsten, milliardenschweren TV- und Sponsorenverträge zu gelangen. Diese 138 Millionen sind aber nur die Spitze des Eisberges, nimmt man kriminalistisches Basiswissen zum Maßstab und bedenkt, dass 95 bis 98 Prozent aller Korruptionsfälle unentdeckt bleiben, so errechnet sich über die zwei Jahrzehnte der ISL-Herrschaft im olympischen Sportmarketing leicht eine Milliardensumme."

 "Da die Untersuchung und damit auch der Fall nun endgültig abgeschlossen sind, wird die FIFA keine weiteren Erklärungen dazu abgeben", schreibt die Fifa selbstzufrieden. Der Fall ist beendet, aber selbstverständlich nicht "die Geschichte":

"Es ist eine Geschichte von jenen, die auszogen, Millionen aus dem Fußballgeschäft auf ihre Privatkonten abzuzweigen, die sich seit Jahrzehnten voll fressen wie Maden im Speck, die über die friedensstiftenden Heilkräfte des Fußballs orakeln, die gerade dieser Tage in Afrika wieder halluzinieren, Familienbande beschwören und doch kaum etwas anderes im Sinn haben, als ihre privaten Interessen. Sie werden von nichts und niemandem kontrolliert. Im Gegenteil: Politiker aller Couleur küssen ihnen die Füße, schließlich bewerben sich gerade wieder elf Länder um kommende Weltmeisterschaften." (Zitat Weinreich)

Fast täglich erfahren wir neue Kapitel dieser unrühmlichen Geschichte. Die FIFA kann jetzt gar mit noch viel mehr Selbstvertrauen ihre unschönen Spielchen ("For the Good of the Game") inszenieren. Sie weiss spätestens seit dieser Woche: sogar wenn unabhängigen Gerichten erdrückende Beweise vorliegen und die Beschuldigten Geständnisse ablegen, wird sie nicht zur Rechenschaft gezogen.

Das Ende des Falles FIFA/ISL ist auch eine Niederlage für den Sport. Das Sportbusiness ist und bleibt damit ein schmutziges Geschäft. Schmiergeldzahlungen und Bestechungsgelder ("Provisionen" nennt sie das Gericht offiziell) sind Teil dieses Geschäfts, wie die FIFA/ISL-Funktionäre im Zuger Prozess achselzuckend zugaben:
  • ISL-Finanzchef Hans-Jürg Schmid: “Das ist, als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben worden.” 
  • ISMM-Verwaltungsratschef Christoph Malms: “Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum Stil des Geschäfts. Ohne das geht es nicht.”

1 Kommentar:

Jens Weinreich hat gesagt…

Ich werde nie einen Strich unter die Sache machen. Da haben Sie etwas missverstanden. Keine Sorge.