"Finanzkrise bringt keine Einsicht in die Bankenwelt" unter diesem Titel rezensiert jetzt auch swissinfo das Buch der Schweizer Soziologin Claudia Honegger (et.al.): "Strukturierte Verantwortungslosigkeit." (Frühere Rezensionen: Frankfurter Rundschau hier, Süddeutsche Zeitung hier; der Tagi hat ein Interview mit C. Honegger gemacht.)
Dies ist ein sehr wichtiges Buch mit einem Horrorinhalt. Es zeigt, wissenschaftlich sauber erarbeitet, die erschreckende Mentalität vieler Banker. Das ist nicht einfach ein netter Einblick in eine exotische Welt. Diese "Söldner" der Finanzwirtschaft entscheiden darüber, ob wir bald wieder eine Finanzkrise haben werden, die unsere Vermögen vernichtet oder ganze Staaten in den Bankrott treibt. Diese Leute entscheiden letztlich, ob wir bald weniger verdienen oder gar arbeitslos werden.
Sie sind die Akteure der Finanzwelt, die jeder staatlichen und demokratischen Kontrolle entzogen sind. Sie treffen die wirklich lebenswichtigen Entscheide. Sie bestimmen unser Wohlergehen.
Schlimmer noch, sie haben sich nicht nur der politischen Kontrolle entzogen, sie kontrollieren die Politik, wie sie in den Interviews im Buch offen zugeben: "Sie sagen sich: Die Politik macht sowieso, was wir wollen."
Die Banker sind sich zwar ihrer Mitschuld an der Finanzkrise bewusst, "doch gibt es eine starke Tendenz, sich selbst herauszunehmen und die Verantwortung woanders hinzuschieben – von den Privatbankern zu den Investmentbankern, zum Top-Management, zur Politik, zur menschlichen Gier schlechthin, zu den gierigen Kunden. Es sind also eigentlich immer die anderen schuld".
Als Hauptschuldige gelten die Investmentbanker, meist junge Männer: "Die haben eine Art Söldnermentalität. Sie sagen: "Wir setzen uns mit Haut und Haaren ein für diesen Job. Wir verdienen viel. Wenn wir es nicht tun, würde es jemand anderes tun. Das ist halt mal so."
Der Vergleich mi den Söldnern ist gut. Die Autoren hätten auch darauf hinwiesen können, dass auch Mitglieder von Erschiessungskommandos im Krieg dieselbe Begründung für ihren dreckigen Job geben, wie früher Scharfrichter.
Eine immer wichtigere Rolle spielen Maschinen. Computermodelle entscheiden darüber , ob und wo investiert oder Geld umverteilt wird. Immer wichtiger ist deshalb eine neue Gruppe von Bankern: Mathematiker und Physiker, die diese Computermodelle erfinden und programmieren: die Quants.
Sie verstehen sich als Techniker, als Ingenieure, "die die Waffen schmieden". Und so wie die Waffenschmiede nicht an den Kriegen schuld sein wollen, tragen auch die 'Quants' keine Verantwortung für ihre eigenen Produkte. Was die anderen Leute mit ihren Computermodellen machen, ist nicht deren Problem. Sie sind auch felsenfest davon überzeugt, dass die "anderen Leute ", die Nicht-Techniker, gar nicht verstehen, was sie eigentlich tun, "und schon gar nicht die Bank-Oberen".
Was allen Bankern eigen ist: Sie sind auf kurzfristige Erfolge, Gewinne angewiesen, koste es, was es wolle. Das letzte, was ihnen am Herzen liegt, ist "das Gemeinwohl".
Post Scriptum:
Ich weiss: Keine Pauschalisierung. "Man kann nicht Alle, die bei einer Bank angestellt sind, in den selben Topf schmeissen." Die Situation sei für viele Bankangestellte "eine Katastrophe", betont denn auch Denise Chervet, Zentralsekretärin des Schweizerischen Bankpersonalverbandes (sbpv), gegenüber swissinfo. Doch auf die Frage, ob die Banken etwas gelernt hätten aus der Krise, sagt sie,
man müsse leider feststellen, dass nach dem Schock von den guten Vorsätzen wenig übrig geblieben sei. Und:
"Ich würde behaupten, das ist eine Tendenz der Menschen, und es liegt an uns, unter anderem auch an den Bankangestellten, aktiv zu werden, wenn sie das Bedürfnis haben, dass sich etwas ändert."
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