Freitag, 17. September 2010

Buchhandel 2010. Der Autor als Strassenverkäufer

Gestern habe ich das neue Buch von Walter Bühler gekauft: "Kommissar Marbass. Das lädierte Lenkrad." Sie kennen den Krimiautor Walter Bühler aus Amriswil nicht? Aber ich kenn' ihn, seit gestern. Er hat mir das Buch persönlich verkauft und mir gleich noch eine Widmung ins Buch geschrieben.

Jüngst habe ich mich ja über die unqualifizierte Bedienung im Thalia geärgert. Dies ist jetzt die wirkliche Alternative: Der Autor verkauft sein Buch persönlich, auf der Strasse oder - wie in meinem Fall - in der Beiz, im "Volkshaus" in Zürich.
Sehr freundlich, wirklich nicht aufdringlich, ist der Autor zu uns an den Tisch gekommen und hat sein Buch auf den Tisch gelegt. "Hallo, darf ich Euch mein neues Buch anbieten?" Ich konnte nicht anders, als eines kaufen. Und ich habe ihm spontan gesagt, dass mir sein Verhalten imponiert.
Welcher Schriftsteller schafft es schon, so über seinen Schatten zu springen und sein Buch auf der Strasse, in der Beiz, selbst anzubieten? Nicht im geschützten Biotop einer Buchhandlung oder auf einer Buchmesse vor lauter Menschen, von denen er weiss, dass sie Buch-affin sind und zum Kulturkuchen gehören. Zugegeben, das Volkshaus ist nicht die rauhe Wildbahn. Hier verkehren tendenziell Leute, von denen er annehmen kann, dass sie ihn zumindest anständig behandeln werden: Studenten, Filmemacher, Werber, Linke. Einige sind sogar mit Sicherheit auch heimliche Schriftsteller oder träumen zumindest davon, endlich doch einmal ein Buch zu schreiben.
Trotzdem: Sich so zu exponieren und zuzugeben, dass man keinen Verlag gefunden hat, der das Buch für wertvoll genug hält, gedruckt zu werden, find ich mutig, toll. Strassenverkauf, das ist ja schon fast Bettelei. Manche Junkies tun es, und Zigeuner aus Rumänien. Aber Schriftsteller? "
Auch in anderen Berufen muss man häufig über seinen Schatten springen", sagt Bühler sichtlich entspannt. "Das ist schon mein sechstes Buch, das ich verkaufe heute und dabei hat der Abend noch gar nicht richtig begonnen." Bei einem Preis von 20 Franken sind das immerhin 120 Franken bis dahin.

Inzwischen habe ich Walter Bühler gegoogelt. Es findet sich nicht viel über ihn. Kein Wiki-Eintrag, keine Rezension im Feuilleton einer renommierten Zeitung. Einzig auf Amriswiler Lokalsite "SeerückenLiteratur" eine Mini-Rezension. Der Liebig-Verlag hat das Buch gedruckt, einfach, aber ganz okay. Liebig ist offensichtlich auf Low-Budget-Produktionen spezialisiert. Motto: "Aus Manus wird Buch." Ohne Werbebudget.
Im "Seerücken" finden sich auch einige wenige Infos zum Autor Walter Bühler. Eine nicht seltene, linke Biographie: Lehre, Matura auf dem zweiten Bildungsweg, abgebrochenes Studium, Mitarbeit in einer alternativen Beiz, Hausmann/erziehender Vater, Scheidung, Depressionen. Jetzt ein Job auf dem Bau, um trotz Schriftstellerei irgendwie über die Runden zu kommen.

Um so mehr bewundere ich Walter Bühler und bin richtig froh, dass ich sein Buch gekauft habe. Der tut etwas, statt einfach nur zu lamentieren und zu jammern.

Nein, gelesen habe ich das Buch noch nicht. Aber ich werd's bald tun. Es ist bestimmt gut, sicher entspannt, augenzwinkernd, amüsant. Wie Walter Bühler, der Schriftsteller und Strassenverkäufer.

Das Buch kann man übrigens auch im Internet bestellen: Hier.

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