Seit Tagen berichten wir in den Medien über die Finanzkrise. Es gibt zur Zeit nichts wichtigeres. Täglich stehen wir in persönlichem Kontakt nicht nur zu den Kommunikationsverantwortlichen der Banken und der Finanzpolitik. Dank persönlichen Beziehungen – oder vielleicht auch nur, weil sie es angesichts der Lage für nützlich halten - reden wir immer mal wieder auch mit den Mächtigen persönlich.
Angst vor der Panik
Hinter vorgehaltener Hand raunen sie uns vertraulich zu: „Wenn nur nicht die Sparer morgen vor den Schaltern der Banken Schlange stehen. Dann bricht alles zusammen.“ Um uns gleich in die Verantwortung zu nehmen: Es wäre verantwortungslos, jetzt in den Medien darüber zu reden. Wir Medienschaffenden sind eben verantwortungsvoll - oder sind wir nur stolz, von den Mächtigen ins Vertrauen gezogen zu werden und wollen einfach nur auch künftig auf ihre Nähe zählen dürfen? – darum berichten wir nur ansatzweise über das, was man uns vertraulich wissen lässt.
Folgsame Medien
Wir diskutieren in der Redaktion, ob wir es verantworten können, einen Artikel zu schreiben, dass die Aussagen unserer Wirtschaftsministerin, man werde eine Grossbank wie die UBS nicht Bankrott gehen lassen, schlicht Mumpitz ist, weil die Schweiz gar nicht die Mittel dazu hätte. Wir berichten nicht darüber, dass in Bankenkreisen darüber diskutiert wird, ob die Europäische Zentralbank, auf deren Hilfe die Schweiz zur Rettung der UBS angewiesen wäre, uns wirklich helfen würde. Dass man munkelt Frau Merkel, die mit ihrer Ankündigung der Einlagensicherung sicher nicht zur Beruhigung der Gemüter beigetragen hat, sondern eine eigentliche Welle von Staatsinterventionen losgetreten hat, hätte wohl eher die Rettung einer deutschen Bank im Sinn als die Sicherung eines Konkurrenten und dass als Gegenleistung einer europäische Rettung der UBS wohl zumindest das Bankgeheimnis geopfert werden müsste.
Hilflose Politik
Die Zurückhaltung der Schweizer Politik ist mitnichten Besonnenheit oder staatsfräuische Gelassenheit, sondern schlicht Macht- und Hilflosigkeit. Die PolitikerInnen haben genauso wenig eine Lösung für die aktuellen Probleme, wie ihre Berater aus der Finanzwelt.
Beschuldigungen/Unterstellungen
Trotzdem müssen wir uns gefallen lassen, wir würden „verantwortungslos Panik säen“, zum Beispiel wenn wir über den Fakt berichten, dass nicht nur die Sparer, sondern auch Unternehmen und Pensionskassen ihre Gelder zu den Kantonalbanken umlagern. Schlimmer noch, wir werden beschuldigt, „Positivmeldungen zu unterschlagen“, zum Beispiel der sinkende Benzinpreis.
Positiv-Signal Benzinpreis?
Dabei kommt mir gerade bei dem Thema ziemlich die Wut hoch. Gerne würde ich endlich wissen, wer da mit einer wirklich verantwortungslosen Spekulation den Oelpreis in den vergangenen Monaten hochgetrieben hat und Milliarden verdient auf Kosten nicht nur der Milliarden von Autofahren, sonder ganzer Branchen, welche die erhöhten Oelkosten wiederum auf die gewöhnlichen Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben haben. Via höherer Preise bei Nahrungsmitteln, Mieten, etc..
Schuld ist der Ueberbringer der Botschaft
Wir Medien – „Du persönlich,“ sagt man mir wirkungsheischend vertraulich - sollen unsere Verantwortung wahrnehmen und „nicht auf Panik machen“.
Das macht mich wirklich wütend: Erstens sind es definitiv nicht wir, die Medien, sondern genau die Kreise, die jetzt unsere Verantwortung anmahnen, die in den letzten Wochen und Monaten Milliarden von Vermögen vernichtet haben. Nicht nur Firmen, Vermögen und zahlreiche persönliche Träume haben sie zerstört, sondern auch unser Vertrauen in das Funktionieren dieses Systems, das uns - wenn nicht als heilig, so zumindest - als natürlich, verkauft wurde. Dieses System der freien Marktwirtschaft verbunden mit der Heilsversprechung, wir würden ja alle davon profitieren. Was ja zumindest für uns Mitteleuropäer grossmehrheitlich ja auch stimmt. Nur haben andere, nämlich diejenigen, die uns das Heil versprochen haben, noch mehr davon profitiert.
Hysterie in der Finanzwelt
Und wo ist sie denn die Panik, die wir angeblich geschürt haben? Sie ist da, aber nicht bei den gewöhnlichen Leuten, die wir aufgehetzt haben sollen. Nirgends die befürchteten langen Schlange vor den Bankschaltern. Die gewöhnlichen Leute bleiben ruhig – vielleicht nur resigniert. Die Panik ist INNERHALB des Systems längst ausgebrochen – mehr noch, es herrscht eine eigentliche Hysterie bei den Tätern in der Finanzwelt.
Das grosse praktische Problem der Finanzwelt ist aktuell der Zusammenbruch des Interbankengeschäfts. Die Banken trauen sich gegenseitig nicht mehr über den Weg und geben sich die nötige, für das System überlebenswichtige Kredite. Die Politik pumpt Hunderte Milliarden an Steuergeldern in die Finanzwelt im Bemühung, das System zu stützen, aber die Anleger, die Spekulanten und Börsenhändler, welche zuvor unanständig abgesahnt hatten, glauben nicht mehr an das System – vielleicht weil sie es durchschauen. Sie verkaufen inzwischen panikartig und zu Schleuderpreisen auch Aktien von Firmen, die bis vor Kurzem als absolut sichere Werte gegolten haben. Die Börsen brechen Negativrekorde. Dies ist längst keine Panik mehr, sondern eine eigentliche Hysterie.
Und diese Hysterie zerstört das ganze Wirtschaftssystem, von dem wir alle abhängig sind, ob wir wollen oder nicht. Es zerstört Jobs/Arbeitsplätze, unsern Wohlstand, und vielleicht unsere Zukunft.
Die Steuerzahler bezahlen doppelt
Eine Lektion haben wir mit dieser Finanzkrise definitiv gelernt – nein, eigentlich wussten wir das ja schon zuvor: Die Zeche bezahlen immer wir, die ganz normalen Einwohnerinnen und Einwohner dieses Landes, die Steuerzahler. Und zwar nicht nur über die Steuern, mit denen die Rettungspakete finanziert werden, sondern auch mit einem Wohlstandsverlust. Die Finanzkrise verursacht eine Rezession und wohl auch eine Inflation. Geduldig haben die Arbeitnehmer in den letzten Jahren darauf verzichtet, ihren Anteil an den exorbitanten Gewinnen der Wirtschaft einzustreichen. Während die Wirtschaftsbosse und die Finanzwelt fette Gewinne machten, mussten viele Arbeitnehmer gar Kaufkraftverluste und Kauf nehmen, zum Beispiel wegen skrupellosen Spekulationsgewinnern im Energiebereich.
Und mit der Finanzkrise und der angekündigten Rezession, sind auch die Hoffnungen der Arbeitnehmer geschwunden, bei der anstehenden Lohnrunde diesen Herbst endlich auch ein paar Krümel mehr abzubekommen.
Die Arbeitgeber pochen unter Hinweis auf die dunklen Wirtschaftswolken „auf das Verständnis“ der Arbeitnehmer, und diese werden wohl ihren Frust ein weiteres Mal runterschlucken.
Keine Alternative
Niemand wird auf die Strasse gehen oder den aktuellen Politikern die Gefolgschaft verwehren. Denn es gibt keine wirkliche Alternative, weder zu unserer hilflosen Demokratie noch zum System der Marktwirtschaft. Und trotz zunehmender Unsicherheit machen die Meisten eine nüchterne Bilanz: Uns geht es objektiv noch immer gut. Und zumindest in meinem persönlichen Umfeld kenne ich bisher niemanden, der z.B. seine Ferien in Aegypten oder in der Karibik abgesagt hätte.
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