Ich lese noch immer in Werner Orts Zschokke-Biografie. Sie ist ja auch 700 Seiten lang. Warum mich das Werk über den "Wegbereiter der Schweiz", dessen breitgefächertes Wirken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und seine Wirkung bis heute fasziniert, schreibt alt-Ständerat Thomas Pfisterer, Präsident der Zschokkegesellschaft im Vorwort:
"Seine Zeit war eine Zeit des Umbruchs wie wohl die unsrige auch. Die Anstrengung zur Biographie (für uns: sie zu lesen - AM) sollte sich gerade dadurch lohnen , dass sie zum Nachdenken über unsere Zeit und ihre Chancen anregt."
Die Schweizer Bevölkerung, nicht zuletzt die katholisch-konservativen Orte in der Innerschweiz, hatten im Krieg schwer gelittten. Jetzt sollten sie sich in einer neuen, modernen Schweiz zurechtfinden, die gezwungen war, sich unter dem äussern Zwang anzupassen, mitzugehen und zu verändern. Es galt gemäss Zschokke, beim "Wiederaufbau" der (neuen) Schweiz "das Herz und das Zutrauen der Bergvölker" in der Innerschweiz zu gewinnen.
Heinrich Zschokke hat auf vielen Ebenen gewirkt: als Pädagoge, Politiker aber vor allem als Publizist. Sein "Aufrichtiger und wohlerfahrener Schweizerbote" war die erste und noch für lange Zeit einzige liberale Zeitung der Schweiz für das einfache Volk. Mit seinem "Des Schweizerlands Geschichte für das Schweizervolk" hat er den neuen Narrativ des Nationalstaates Schweiz, wie er erstmals von Johannes von Müller 1780 in seinem Werk "Die Geschichten (Plural sic!) der Schweizer" beschrieben wurde, weitergeführt und vor allem popularisiert. Er hat damit das Schweizer Nationalbewusstsein bis heute wesentlich geprägt.
Thomas Pfisterer schreibt im Vorwort der Zschokke Biografie: "Sein Ziel war, die Menschen zu politischer Reife, zur Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und zur Demokratie zu führen." Und fügt noch bei: "Dieses Anliegen ist zeitlos".Ich unterstelle wohl Alt-Ständerat Pfisterer nichts Falsches, wenn ich meine, dass er mit seinem Vorwort zum Ausdruck bringen will, es bräuchte heute wieder einen Zschokke, der nicht nur über unsere Zeit nachdenkt, sondern auch handelt, einen Mentalitätswandel propagiert und nachhaltig tragfähige Veränderungen (mit-)initiiert.
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