Donnerstag, 2. Mai 2013

Leuchtturm 16: "Gefährliche Abwärtsspirale"

Alexander Görlach, Herausgeber des Magazins "The European" liefert den heutigen "Leuchtturm". Mitten hinein treffend und gut geschrieben.
In seiner Kolumne "Gefährliche Abwärtsspirale" hat er zuerst das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen:

"Wenn man als Medienschaffender Medien kritisiert, kritisiert man das System, von und in dem man lebt. Trotzdem."

Dann geisselt er die "voyeuristische Obsession" des grassierenden kommerziellen Journalismus in Deutschland. Aber wir Schweizer wissen, das ist 1:1 übertragbar auf die Schweiz:

Anlass ist "der Fall Höness", die Hetze gegen die Prominenten, dem "Zeitgeist" geschuldet. Görlach zitiert Eleanor Roosevelt, die Frau des amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt. Sie soll den Ausspruch getan haben:

„Kleingeister reden über Menschen, mittelmäßige Zeitgenossen sprechen über Ereignisse, große Geister diskutieren über Ideen.“ Zum Wiederverwenden.

Görlach: "Es ist klar, was uns da ins Stammbuch geschrieben wird. Die voyeuristische Obsession mit dem Leben unserer Zeitgenossen im Allgemeinen, ihren Verfehlungen im Besonderen, weist unsere Nation als ein Volk von Kleingeistern aus." ...
"Das gilt nicht nur bei Steuerverfehlungen oder Dirndl-Gate: Der politische Journalismus hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Berichterstattung über Personen entwickelt, weg von einer an den Sachthemen orientierten Auseinandersetzung."

"Der Motor für diesen Zeitgeist ist der Neid. Dieser ist ja, ähnlich wie der Geiz, in ungeheurer Mode. Beides sind Todsünden.. "
"Die ... Todsünden zersetzen den gesunden Menschenverstand und mit ihm die Rationalität. Nur so lassen sich die Spiralen erklären, die, von den Medien einerseits abgebildet und dadurch andererseits wieder befeuert, die Gesellschaft in einen destruktiven Strudel hinabziehen."

Und zum Schluss malt Görlach ein wunderbares Bild. Sprache und Journalismus, wie wir ihn uns meist vergeblich wünschen, nicht effekthascherisch plump und laut, sondern subtil-illustrativ:

"Diese alles zersetzende Haltung wird bei Prominenten besonders augenfällig, .... Je salonfähiger das wird, und hier sind die Medien der Verstärker einer bereits existierenden gesellschaftlichen Tendenz, umso mehr frisst es uns den Kitt aus den Fenstern – und in unserer Behausung, in Deutschland, wird es erst zugig und dann bitterkalt."

"Es frisst uns den Kitt aus den Fenstern, es wird erst zugig und dann bitter kalt." Ein Leuchtturm.


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