Khairat al Shater, Präsidentschaftskandidat Muslimbrüder Ägypten |
Stathis N. Kalyvas macht diese Parallelen deutlich in seinem Beitrag "The Turkish Model in the Matrix of Political Catholizism" im Buch "Democracy, Islam and Secularism in Turkey" (Hrsg. Stepan Alfred und Ahmet Kuru):
Er zeigt, wie sich der Katholizismus in Europa von einer starken Oppositionskraft gegen das neue, demokratisch-säkulare politische System zu einem staatstragenden Teil der modernen liberalen, demokratischen Ordnung entwickelte.
Papst Pius IX. † 1878 |
Was den damals moderniserungsfeindlichen Katholizismus, der die staatlichen Institutionen und das liberale, demokratische Gedankengut öffentlich bekämpfte, zu einer staatstragenden christlich-demokratischen Bewegung konvertieren liess, war die Integration in das politische System. Kalyvas schreibt: "The anti-liberal dimension of the Catholic mobilization was toned down and effectively reversed, once the Catholics parties became integrated into the political system of their countries." Und: "While these parties moderated, they contributed to the democratization of their countries."
Die Parallelen zur Entwicklung des (Post-) Islamismus heute nennt Kalyvas "striking" - frappierend. Um ihre Botschaft besser propagieren zu können, hätten sich "einige islamische Bewegungen" für eine Strategie im Rahmen des (demokratischen) Systems entschieden, indem sie sich zum Beispiel an Wahlen beteiligten.
Ganz ähnlich wie Olivier Roy in seinen Beobachtungen zum Post-Islamismus kommt auch Kalyvas zum Schluss, dass der neue politische Islam sich damit nicht nur in das bestehende System einbindet, sondern damit auch dessen Prinzipien akzeptiert und gar zur "Verbreitung der säkulären und westlichen Ideen" beiträgt.
In einem Interview mit "Radio Vatikan" (sic!) fasst Olivier Roy die Integration des politischen Islam in den letzten Jahren zusammen:
„Die Islamisten sind durch die dreißig Jahre verändert worden, in denen sie teils in der Opposition waren, teils auf komplizierte Art und Weise doch an der Macht beteiligt wurden. Sie passen sich so, wie sie heute sind, in ein parlamentarisches System ein: manchmal richtiggehend triumphal wie in Marokko, manchmal doch etwas zögerlich wie in Ägypten. Es sind auf jeden Fall nicht mehr die Islamisten von vor dreißig oder vierzig Jahren. Es geht ihnen nicht mehr um eine islamische Revolution wie im Iran, es geht ihnen auch nicht mehr um einen islamischen Staat oder um die zwangsweise Durchsetzung der Scharia. Natürlich sind sie keine Liberalen geworden; eher kann man von konservativen rechten Parteien sprechen, wenn es ums Soziale geht, und von Liberalen, wenn es um die Wirtschaft geht, Nationalisten, die stark die kulturell-religiöse Identität betonen. Aber jedenfalls Parteien, die das Prinzip von Demokratie, Mehrparteiensystem und Verfassung akzeptiert haben.“
Für Olivier Roy sind die Post-Islamisten in Nordafrika so etwas wie die geistigen Brüder der Christdemokraten in Europa, Teil einer modernen, globalen konservativen Bewegung.
Und tatsächlich lassen sich die Brüder aus dem arabisch-nordafrikanischen Raum auch noch so gerne in die westliche Familie integrieren, wie wir beim Weltwirtschaftsforum in Davos dieses Jahr beobachten konnten.
PS:
Eben habe ich noch einen Artikel in der New York Times gelesen. Offenbar ist Khairat als Shater auch im Westen salonfähig. Man kenne ihn. Offenbar wird der Vizepräsident der Muslimbrüder - und die Muslimbrüder als Ganzes - jetzt auch im Westen (der USA) als akzeptabel angesehen, wenn auch vorerst nur im Sinne des "kleineren Übels", weil man sonst mit einem Salafisten-Hardliner wie Hazem Salah Abu Ismail rechnen muss. Die NYT bezeichnet Hazem Salah als "old scholl islamist". Damit wäre die Definition für die Muslimbrüder und andere Post-Islamisten wohl "new school islamist".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen